Notunterkunft Gorch-Fock-Straße 32: Schlafsäle ohne Privatsphäre

Stuttgart-Sillenbuch … Seit knapp einem Monat ist die Notunterkunft an der Gorch-Fock-Straße 32 („GF32”) bezogen. Doch noch immer kann mangels Raumteilern oder Abtrennungen keinerlei Privatsphäre für die Flüchtlinge geeschaffen werden. Freundeskreis und Sozialamt berichteten am vergangenen Mittwoch im Bezirksbeirat.

Dr. Eva Dessecker ist Sprecherin des noch jungen Freundeskreises, der sich um die in der Schulbaracke an der Gorch-Fock-Straße untergebrachten Flüchtlinge kümmert. Am vergangenen Mittwoch berichtete sie über die Arbeit des Freundeskreises und beschrieb die Situation in der Unterkunft: gute Stimmung, aber große Sorgen wegen des Zustands der Baracke.

Erstbelegung mit Problemen

Zunnächst erläuterte Eva Dessecker die Historie der neuen Unterkunft. Am 22. Dezember habe der Freundeskreis erstmals Gelegenheit gehabt, die Notunterkunft von innen zu sehen – damals noch für 80 Personen geplant. Nach einer weiteren Besichtigung am 29. Dezember, nach vollständiger Möblierung, wurde klar: „Das geht so gar nicht. Hier kann ja keiner mehr die Räume betreten, geschweige denn dort wohnen.” Daraufhin wandte man sich in einem ersten Hilferuf ans Sozialamt, um zumindest die erwartete Erstbelegung zu stoppen. Erst nach einigem Hin und Her sei es schließlich gelungen, die Zahl der Sollplätze auf 64 zu senken. Dieses habe man dankbar zur Kenntnis genommen.

Dass die Entscheidung richtig war, habe dann auch die Erstbelegung mit 25 Flüchtlingen bewiesen, denn diese war holprig. Die ersten Flüchtlinge, die am 26. Januar eintrafen, weigerten sich zunächst, die Räume zu beziehen. Nur dank des Einsatzes zahlreicher Flüchtlingsfreunde mit einem Angebot an Kaffee und Kuchen und einem arabischsprechenden Freundeskreismitglied sei es gelungen, die Flüchtlinge zum Bleiben zu überreden. Man habe dann in der Folge die Asylsuchenden mit gespendeten Handtuchsets, Hygieneartikeln sowie Wasser, Obst und Süßigkeiten ausstatten können, was zur Verbesserung der Stimmung beitrug.

Schlechte Ausstattung bereitet Sorgen

Bei der zweiten größeren Zuweisung habe man dann die Flüchtlinge gleich in der Stadt in Emfpang genommen, ihnen vom arabisch sprechenden Stellvertreter Desseckers die Unterkunft erklären lassen und sie – besser vorbereitet – nach Sillenbuch gebracht. Waren in der ersten Zuweisung vor allem Familien unter den Ankömmlingen, kamen im zweiten Bus unter anderem 16 alleinreisende syrische Männer nach Sillenbuch. Derzeit sind 52 Personen an der Gorch-Fock-Straße 32 untergebracht.

Große Sorgen bereitet dem Freundeskreis nach wie vor die schlechte Ausstattung der Unterkunft. Es gibt vier kleinere Klassenzimmer, die wie Schlafsäle möbliert sind: Betten, Spinde, wenige Tische und für jede Person ein Stuhl. Als Abtrennungen hatte die Stadt Stuttgart noch bis 22. Dezember Bauzäune mit Planen vorgesehen, jedoch diese dann aufgrund des geringen Platzes ersatzlos gestrichen. Auch am baulichen Zustand der Unterkunft wurde nichts Wesentliches zum Positiven verändert. Lediglich eine Heizung wurde eingebaut. Für Farbe zum Anstrich der verdreckten Wände reichte es jedoch nicht. Duschen, Waschmaschinen und Trockner sowie Kochplätze befinden sich in Containerbauten neben der Baracke. Eine Überdachung des Zwischenraumes gibt es nicht. Gemeinschaftsräume oder auch eine Spielecke für Kinder sind in den Räumen gar nicht möglich. Der unbefriedigende Gebäudezustand und die fehlenden Abtrennungen zwischen den Betten bereiteten den ehrenamtlich Tätigen große Sorgen, führte Dessecker aus. Hier sehe man trotz der momentanen Ruhe großes Konfliktpotential.

Großer und aktiver Freundeskreis

Sehr erleichtert zeigte sich Dessecker, dass die Stimmung bisher gut sei. Die große Zahl Ehrenamtlicher sowie die vielfältigen Fähigkeiten und Interessen im Freundeskreis habe daran einen wesentlichen Anteil. Es würden bereits Deutschkurse – auch für Analphabeten – angeboten, Begleitung zu Terminen, Ärzten, beim Einkaufen – wo auch immer gewünscht. Dazu habe man einen Ausflug in die Kleiderkammer beim Asyldorf in Heumaden organisiert, um die Flüchtlinge mit notwendiger Kleidung zu versorgen. Ein weiteres Team kümmere sich in Betreuungstrios direkt in der Unterkunft um die Schützlinge, man frage nach, was gebraucht wird, halte Kontakt. Derzeit prüfe man die Möglichkeiten, auch WLAN in die Unterkunft zu bekommen. Eine andere Gruppe plane bereits ein Gartenprojekt, an dem sich interessierte Asylbewerber aktiv beteiligen können. Vergangene Woche sei auch die Spielgruppe gestartet, die einmal in der Woche im Kindergarten Pusteblume mit den Kindern spielt, eine weitere Spielgruppe sei in Planung. Jede Woche treffe sich der Freundeskreis derzeit, um sich auszutauschen, die Aktivitäten zu planen.

Auch ein Team zum Koordinieren der Sachspendensammlung habe sich gefunden (sachspenden@freundeskreis-fluechtlinge-sillenbuch.de). Die Spendenbereitschaft in Sillenbuch sei großartig. Allerdings müsse man mangels Lagermöglichkeiten momentan sogar Spenden ablehnen. Daher sucht der Freundeskreis händeringend nach einem trockenen Lagerraum. Und auch ein oder zwei Baucontainer werden gesucht, damit diese dann in Eigenregie zu einem Gemeinschafts- und vor allem zu einem Spielraum umgestaltet werden können.

Unterkunft beim GSG wird im April bezogen

Günter Gerstenberger vom Sozialamt erläuterte den Bezirksbeiräten in seinem Bericht die weiteren Planungen der Stadt. Aus der GF 32 werde eine Familie wegziehen, danach erfolge eine Belegung mit weiteren voraussichtlich 14 Personen. Für die noch aufzustellenden Systembauten beim Geschwister-Scholl-Gymnasium stellte er eine Erstbelegung im April in Aussicht. Auch dort strebe man an, dass die Unterkunft zu 60 Prozent mit Familien belegt werde. Ein Freundeskreis bilde sich bereits. Längerfristig hofft Gerstenberger auf deutlich zurückgehende Zuweisungszahlen. Er sei der Meinung, die Maßnahmen von Bundes- und Landesregierung beginnen zu wirken. So würden beispielsweise Flüchtlinge aus den Balkanstaaten gar nicht mehr zugewiesen.

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