SportKultur unterwegs – Kunstrundgang in Göppingen 

Stuttgart-Wangen … Die monatliche Exkursion führte Kunstfreunde der SportKultur Stuttgart im April nach Göppingen.

Die Stadt ist bekannt für ihre vielfältigen Kunstpräsentationen im öffentlichen Raum. Organisator Hans Säurle hatte mit der Kunsthalle Göppingen eine Tour mit drei thematisch sehr unterschiedlichen Anlaufstellen vereinbart. Kai Bleifuß vom Göppinger Kunstverein, Mitarbeiter der Kunsthalle, führte die Gruppe bei einem kurzweiligen Spaziergang zu den jeweiligen Punkten. Kompetent und kenntnisreich vermittelte er sein schier unendliches Wissen seinem interessierten Publikum.

Märklins Villa 

Die erste Station war der einstige Wohnsitz einer wohlhabenden Familie. Im Jahre 1924 ließ der bekannte Industrielle Eugen Märklin für seine große Familie im Göppinger Stadtteil Hailing vom Architekten Immanuel Hohlbauch eine repräsentative Villa mit Barock und Klassizismus zitierenden Stilelementen mitsamt großzügiger Parkanlage errichten (Foto oben: Klotz). Die Wohnungen in dem 1977 der Stadt Göppingen vermachten Anwesen werden heute – dem Wunsch der früheren Besitzer entsprechend – kostengünstig an ältere Bürger der Stadt vermietet. Ein Kleinod besonderer Güte ist bis heute in dem im Bauhausstil errichteten Badehaus neben dem ehemaligen Swimming Pool erhalten geblieben. Es zeigt ein imponierendes Wandfresko mit fünf Badenden, entworfen vom Stuttgarter Maler, Bildhauer und Bühnenbildner sowie Meister am Dessauer Bauhaus, Oskar Schlemmer, der einige Jugendjahre bei einer älteren Schwester in Göppingen verbrachte. Letztlich ausgeführt hat das Werk sein Bruder Carl. Im Nationalsozialismus galt Schlemmers Kunst als entartet. Glücklicherweise blieb dieses Werk von den Bilderstürmern unbeachtet und damit von der Zerstörung verschont. Die Familie Märklin hat es anscheinend wohl zu behüten gewusst. 

Skulptur und Gegenskulptur

Ganz anderer Art ist die zweite Station der Gruppe gewesen, nämlich der angemessene Umgang mit dem Gedenken an die Gefallenen und andere Opfer des Krieges. Als Ersatz für das nach dem ersten Weltkrieg als christlich orientierte Pietà, eine trauernde Mutter mit ihrem gefallenen Sohn im Arm, ausgeführte Kriegerdenkmal, beauftragen die herrschenden Nationalsozialisten den Bildhauer Fritz Nuss mit der Schaffung einer mehr stolzen, heldenhaften Statue. Diese ist zwar bereits 1939 im heutigen Oberhofenpark aufgestellt, aber nicht mehr enthüllt worden. Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann der zweite Weltkrieg, daher war eine feierliche Denkmalsenthüllung erst nach dem erwarteten Endsieg vorgesehen. Dieser Plan scheiterte aus bekannten Gründen, daher blieben die zwei strammen Landser bis 1946 in ihrer Bretterverschalung eingehaust. Nach langen, teils hitzig geführten Debatten über die Einordnung dieser Hinterlassenschaft des Dritten Reichs, fand sich dann 2017 eine Lösung. Auf Anregung des Göppinger Kunstvereins beschäftigte sich der Berliner Projektkünstler Nasan Tur mit dem Thema. Mit seinem Werk „Schalung“ entstand eine Art Gegenskulptur in Form und Ausmaß des Bretterverschlags, der einst die Kriegerstatue umhüllte. Der hölzerne Verschlag wurde exakt gegenüber der steinernen Nuss-Statue platziert, die beiden Werke stehen quasi Auge in Auge zueinander. Tur thematisiert so die machtpolitische Vereinnahmung, Instrumentalisierung und Missbrauch von Kunst in autoritären Gesellschaften.

Das kalte Herz

In der Mörikeanlage unmittelbar neben der aus der Epoche der Gotik entstammenden Oberhofenkirche findet sich ein großformatiges (435 x 525 x 610 cm) rostbraun-stählernes Gebilde in der Form eines menschlichen Herzens. Gestaltet hat diese Skulptur der vielseitige Offenburger Künstler Stefan Strumbel im Jahr 2015 aus wetterfestem Cortenstahl. Für Strumbel ist das kalte Herz der Ausdruck einer Gesellschaft, die Habsucht und Kapital gegen die soziale Komponente des Zusammenlebens eingetauscht hat. Also eine moderne Analogie zu Wilhelm Hauffs Erzählung „Das kalte Herz“ von 1827. Das ist die Geschichte von Peter Munk, dem armen Köhlersohn aus dem Schwarzwald, der aus Gier nach Geld und Anerkennung sein Herz gegen einen gefühllosen Stein eintauscht. Aus dem Hauffschen Werk rezitierte Kai Bleifuß zum Abschluss des abwechslungsreichen Kunstspaziergangs, sehr zum Gefallen seiner Zuhörer, einige entscheidende Passagen. 

Quelle (Text und Foto: Norbert Klotz): SportKultur Stuttgart

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