Ausgeschieden

Deutschland hat verloren. Ein Fußballspiel. Doch die Reaktionen einiger Kommentatoren und Experten unmittelbar nach Spielende ließen darauf schließen, dass eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes über unser Land gekommen ist. Eine Katastrophe, die jetzt und so überhaupt nicht zu erwarten war. Zur Einordnung: Deutschland hat ein Fußballspiel verloren. Gut, eins in einem bedeutenden Turnier. Und ja, das Spiel wäre vielleicht auch zu gewinnen gewesen. Die Sprachlosigkeit nach dem Abpfiff mag dennoch überraschen. Schließlich brillierte unsere Fußballnationalmannschaft schon seit Jahren nicht mehr wie einst, als sie Brasilien mit sieben zu eins Toren vom Platz fegte und später Weltmeister wurde. Und sie zeigte auch in jüngster Zeit keinen so deutlichen Aufwärtstrend, dass man zu höchsten Erwartungen Anlass gehabt hätte. Daher mag die Fassungslosigkeit nach dem England-Spiel zwar als Folge des ewigen Schönredens schlechter Leistungen und Ergebnisse („Qualität”, „Potential”, „Dominanz” – die „Dreierkette” des Realitätsverlusts) sein. So richtig verständlich ist sie aber nicht. Wenigstens bleibt uns eine Trainerdiskussion erspart. Anders als in den Niederlanden und Frankreich hat unser Bundestrainer schon vor dem Turnier die Reißleine gezogen. Zwar ganz sicher nicht, um seinen Abtritt durch ein frühes Ausscheiden zu rechtfertigen. Aber immerhin mit der Konsequenz, dass nun – mal wieder – ein sogenannter wirklicher, echter und endlich erfolgversprechender Neuanfang eingeleitet werden kann. Die Fußballfans sind schon gespannt, ob aus Jogis Jungs nun bloß Hansis Jungs werden, oder ob sich auch am sogenannten Spielermaterial, dem Mannschaftsgeist und der Spielweise etwas ändern wird. Zum Guten natürlich. Aber nicht nur Joachim Löw hat jetzt ausgedient. 82 Millionen Bundestrainer haben nun ebenfalls Urlaub. Sie können sich nach kurzer Fußballpause wieder der Virologie zuwenden. Und nach dem Endspiel der Fußballeuropameisterschaft hoffentlich bilanzieren, dass es nicht bloß einen würdigen Europameister gibt, sondern dass die europaweite Feldstudie der UEFA mit rappelvollen Stadien und Abstand-nein-danke-Regeln kein Eigentor war. Sonst hätte nicht nur Deutschland verloren.

Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne