Brandschutzdammbruch

Große Überraschung: Thomas Kemmerich ist mit hauchdünner Mehrheit im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt worden. Ähnlich knapp war es für seine Partei, die FDP, bei der Landtagswahl. Gerade mal 73 Stimmen mehr als notwendig sicherten den Liberalen am 27. Oktober den Einzug in den Landtag. Von einem „Überspringen“ der Fünf-Prozent-Hürde kann angesichts dieses Ergebnisses nicht wirklich gesprochen werden. Eher von einem Hinüberrobben. Aber so ist es in der Demokratie. Eine Stimme mehr reicht aus – „Mehr“heit eben. Kemmerichs überraschender Triumph löste Kritikreflexe Nicht-Gewählter aus. Auch das gehört zur Demokratie dazu – zumal zu einer minutiös von Medien begleiteten. Da ist es wichtig, sich zitierfähig zu äußern. Sonst geht die erhobene Stimme leicht unter. Beliebt bei Politikern sind bildhafte Vergleiche, die verdeutlichen sollen, was davon zu halten ist – oder nicht. Im Fall der Thüringer Ministerpräsidentenwahl wurden allerdings Vergleiche gezogen, die ein Rätsel aufgeben. Wie manch einem die Wahl. So warnte Grünen-Chef Robert Habeck vor dem Einreißen einer „Brandschutzwand“. Gab es dieses Bauwerk, konnte es jedenfalls einen „Dammbruch“ nicht verhindern, wie der SPD-Co-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans beklagte. Näher an Habeck war CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der der FDP vorwarf, „mit dem Feuer gespielt“ zu haben. Sein SPD-Kollege Lars Klingbeil indes sah einen „Tiefpunkt“ erreicht. Fazit: Zerstört ein Brand den Damm, steht dem, der ganz unten ist, das Feuerwasser bis zum Hals. Wer mag das schlucken?

Rundgeschaut … Die Seite 3 Kolumne aus dem WILIH … 12.2.2020