Hauptradroute 2 abgelehnt: Stadt beißt in Bezirken auf Granit

Hedelfingen/Wangen … Zweidreiviertel Stunden diskutierten die Bezirksbeiräte von Hedelfingen und Wangen am 13. Mai gemeinsam über eine neue Vorplanung des Teils der Hauptradroute 2, die durch ihre Stadtbezirke verlaufen soll. Die Mehrkosten sind erheblich. Das Ergebnis war dasselbe wie vor drei Jahren: eine deutliche Ablehnung. Wie geht es jetzt weiter?

Seit vier Jahren sitzen die Stuttgarter Verkehrsplaner an dem Projekt, Radfahrern eine Route von der Innenstadt über Stuttgart-Ost, Wangen und Hedelfingen nach Esslingen anzubieten. Das Wort „Angebot“ spielt in der Stuttgarter Verwaltung eine ganz wichtige Rolle. Immer wieder – zuletzt auch in Heumaden – wird darauf verwiesen, man wolle den Radlern „ein Angebot machen“. Ob dies dann auch in Anspruch genommen wird, sprich: auf Nachfrage trifft, spielt bei den Gedankenspielen der Planer eine untergeordnete Rolle. Ein Nährboden für gegenseitige Anwürfe und eine Verhärtung der Positionen in den Bezirken. Mit der Folge, dass „Auto-Lobby“ und „Rad-Ideologen“ sich gegenseitig Vorwürfe machen. In Hedelfingen und Wangen ist der Streit über die Hauptradroute 2 nun endgültig verfahren, weil beide Bezirksbeiräte auch einer umfangreichen Neuplanung mit Zwei-Drittel-Mehrheit die Zustimmung versagten.

Erneute Behandlung in beiden Bezirksbeiräten

Bereits 2016 hatten sich beide Bezirksbeiräte mehrheitlich gegen die damalige Vorplanung ausgesprochen. Auf den letzten Drücker lenkte dann der Gemeinderat noch ein und entschied sich mit Mehrheit dafür, erst noch eine aus den betroffenen Bezirken empfohlene Alternativroute über die Nähterstraße zu untersuchen. Nicht bloß diese Aufgabe haben die Verkehrsplaner um Andreas Hemmerich erledigt. Die von der Stadt von Beginn an favorisierte Radstrecke entlang der Hauptverkehrsadern wurde neu konzipiert. Außerdem wurden zwei Kreisverkehre an den Otto-Konz-Brücken in Wangen in die Planung aufgenommen. Das Ganze mündete in eine Beschlussvorlage für den Stuttgarter Gemeinderat. Die Entscheidung war für den 23. Mai angesetzt worden.

Nun haben die Bezirksbeiräte in Wangen (20. Mai, 18.30 Uhr im Eberhard-Ludwig-Saal der Kelter Wangen, Ulmer Str. 334) und Hedelfingen (21. Mai, 19 Uhr im Sitzungssaal des Bezirksrathauses, Heumadener Str. 1) das Thema erneut auf der Tagesordnung ihrer öffentlichen Sitzungen. Dazu zwingt ihre Geschäftsordnung: Lehnt ein Bezirksbeirat ein Vorhaben der Verwaltung mit Zwei-Drittel-Mehrheit ab, so ist es mit einer Stellungnahme des Bürgermeisteramts erneut im Bezirksbeirat zu behandeln, wenn es nicht entsprechend der Empfehlung des Bezirksbeirats abgeändert wird oder der Bezirksbeirat auf eine erneute Behandlung verzichtet. Der Bezirksbeirat muss die Angelegenheit dann binnen zwei Wochen nach Eingang der Stellungnahme behandeln. Bürgermeister Peter Pätzold hat zwar postwendend reagiert, hält aber unverändert an seinen Plänen fest und verweist darauf, dass die Entscheidung „letztlich der Gemeinderat“ treffe.

Nähterstraße für die Stadt keine Alternative

Worum geht es? Die aus den Bezirken vorgeschlagene Alternativroute von der Landhausstraße entlang der Nähterstraße, Höhbergstraße und Kemptener Straße zur Hedelfinger Straße wird von der Stadt nach eingehender Prüfung nach wie vor abgelehnt. Problematisch erscheint den Verkehrsplanern vor allem die Nähterstraße. Sie sei zu schmal, um Radlern genügend Sicherheit bieten zu können. Und einem notwendigen Umbau würden etwa 80 Parkplätze im Ortskern zum Opfer fallen – unzumutbar. Zudem sprächen Höhenunterschiede und die abwegige Verkehrsführung gegen diese Variante.

Stattdessen möchte die Stadt die Hauptradroute 2 von der Landhausstraße bis zur Inselstraße in beiden Richtungen mit Radfahrstreifen (mindestens 1,85 Meter breit, mit durchgezogenem Strich vom Autoverkehr getrennt) führen. Nur an den Knotenpunkten Langwiesenweg (Richtung Stuttgart-Ost), Viehwasen und Inselstraße (beide Richtung Hedelfingen) sollen auf kurzen Abschnitten Radschutzstreifen (mit unterbrochener Linie) eingerichtet werden. Durch die innere Ulmer Straße, für die seit gut einem Jahr Tempo 30 angeordnet ist, geht es im Mischverkehr (Autos und Fahrräder auf derselben Fahrbahn) bis zum Wangener Marktplatz. Und von dort ebenfalls im Mischverkehr bis zu den Otto-Konz-Brücken. Ein vom Wangener Bezirksbeirat angeregter „ordentlicher Radweg“ direkt vor der Wilhelmsschule wird von den städtischen Verkehrsplanern wegen Sicherheitsbedenken und einem dann notwendigen Verzicht auf zahlreiche Bäume und 53 Parkplätze nicht empfohlen.

Zwei Kreisverkehre an den Otto-Konz-Brücken

An den Otto-Konz-Brücken möchte die Stadt sowohl den Knoten mit Hedelfinger und Kempetner Straße und querenden Stadtbahngleisen als auch den mit Kesselstraße und Autohof-Zufahrt durch Kreisverkehre ersetzen. Der Radverkehr wird nach städtischem Plan dann bis vor den Hedelfinger Platz „weitgehend auf Radfahrstreifen“ geführt (durchgezogene Linie).

Die Stadtbahnhaltestelle Hedelfinger Straße erhält einen Nordzugang mit Treppe. Auf der Hedelfinger Straße – etwa zwischen den Häusern Nummer 99 und 100 – soll ein neuer Z-Übergang mit Möglichkeit zum „U-Turn“ in beide Fahrtrichtugen gebaut werden. Dafür darf in die Heiligenwiesen (bei Lidl) nur noch von Hedelfingen aus ein- und nach Wangen ausgefahren werden. Bei der Stadt erhofft man sich durch alle diese Maßnahmen eine so starke Entlastung der Hedelfinger Straße, dass sie für Radfahrer sicher genug wird.

Hedelfinger Beirat fordert ein Gesamtkonzept

Dem traut man in Hedelfingen nicht. Deshalb hat sich der dortige Bezirksbeirat mit der Stimmenmehrheit von CDU, Freien Wählern und SPD entschlossen, auch die jetzige Vorplanung abzulehnen, solange noch kein Gesamtkonzept für den Stadtbezirk Hedelfingen vorliegt. Insbesondere möchte man Pläne für den Hedelfinger Platz – für den die Stadt zunehmend einen Kreisverkehr ins Auge fasst – sowie die Fortführung der Radroute nach Esslingen abwarten.

Der Wangener Bezirksbeirat entschied sich im Ergebnis gleich, lehnte die Vorplanung aber im Wesentlichen wegen zahlreicher Bedenken ab, die – so die Befürchtung – später keine Berücksichtigung mehr finden, wenn man jetzt zustimmt. Die begleitend vorgesehenen Tempo 30-Beschränkungen auf der inneren Ulmer Straße (bereits eingerichtet) sowie auf der Wasenstraße zwischen Inselstraße und Wangener Marktplatz sowie weiter auf der Hedelfinger Straße bis zu den Otto-Konz-Brücken begrüßte der Bezirksbeirat Wangen hingegen einstimmig.

Kostensteigerung auf mehr als das Doppelte

Wie es nun weitergeht, hängt erst einmal vom Gemeinderat ab, der am 26. Mai neu gewählt wird. Im Stadtplanungsamt hatte man einen Baustart im Frühjahr 2021 angepeilt; die Bauzeit soll zwei Jahre betragen. Die Kosten des fraglichen Abschnitts der Hauptradroute 2 sollen aus heutiger Sicht 9,5 Millionen Euro betragen, einschließlich zwei Millionen Euro für ohnenhin erforderliche Ampel-Erneuerungen. Für die beiden Kreisverkehre kämen noch etwa 2,8 Millionen Euro hinzu – macht zusammen 12,3 Millionen. Vor drei Jahren war noch von insgesamt 5,4 Millionen Euro die Rede. Die Kostensteigerung wird mit der neuen Konzeption, umfangreicheren Begleitmaßnahmen sowie einer starken Preissteigerung im Baugewerbe begründet.

Foto: Die Bezirksbeiräte von Wangen (links) und Hedelfingen tagten am 13. Mai gemeinsam im Eberhard-Ludwig-Saal der Wangener Kelter.

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