Nichtabstiegsfeier – das redlich verdiente Extäsle
Außerhalb the Länd wird der Schwabe ja gern als etwas betulicher Zeitgenosse eingeschätzt. Dass er in aller Öffentlichkeit zu Extase neigt, kann man ihm jedenfalls kaum vorwerfen. Begeisterungsstürme laufen eher in Zeitlupe ab. Als Extäsle allenfalls. Umso erstaunter war bundesweit das Fernsehpublikum, wie überschwänglich die VfB-Fans am vorigen Samstag in der Mercedes-Benz Arena – formerly known as Neckarstadion – den Nichtabstieg ihres Clubs aus der ersten Fußballbundesliga feierten. Erinnerungen an die Feier der Deutschen Meisterschaft 2007 oder der Zwietligameisterschaft mit dem Wiederaufstieg in Liga Eins im Jahre 2017 werden wach. Doch: Ist das nicht, wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen? Denn jetzt ist etwas wirklich ganz Besonderes gelungen – die Verhinderung eines großen Misserfolgs. Nach einer solchen Nicht-Pleite gibt es zwar keinen Pokal, es gibt aber trotzdem kein Halten mehr. Selbst ansonsten zurückhaltende Menschen legen dann gerne mal alle Hemmungen ab und brennen mit dem Feuerzeug ein Stückchen aus dem Tornetz des Tages als Souvenir heraus – die Nachkommen werden sich bei der Haushaltsauflösung einmal fragen, was das wohl ist. Oder sie graben sich einen Klumpen aus dem heiligen Fußballrasen aus, um ihn dann im heimischen Blumentopf bis – hoffentlich – zur nächsten Meisterschaft zu päppeln. So mag die aktuelle Stuttgarter Feierlaune im direkten Vergleich mit wirklichen Champions ein wenig übertrieben wirken. Doch wer einen Zentimeter vor dem Abgrund es fertigbringt, keinen Schritt mehr nach vorn zu gehen, der darf sich ruhig wie ein Deutscher Meister für Arme fühlen. Das Extäsle hat sich der arg gebeutelte Fan, der die ganze Saison durch- und zu seinem Club gehalten hat, redlich verdient. Zumal ganz bestimmt auch wieder andere Zeiten kommen werden. Und dann zeigen sich die Feierbiester von gestern bestimmt schnell wieder auf ganz eigene Art kritisch – you‘ll never bruddel alone.
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