Rundgeschaut 8.6.2016
Immer schneller?
Oft ist von „Entschleunigung” die Rede. Allerdings meistens dann, wenn es um Verkehrsberuhigung im – eigenen – Wohngebiet geht, also für alle anderen, die dort eigentlich nichts zu suchen haben. Oder im Zusammenhang mit Arbeit oder Stress im Sinne geringerer – empfundener – Belastung oder Verpflichtung. Beim Reisen hingegen kann es den Menschen anscheinend nicht schnell genug gehen. Der ICE feiert dieser Tage zwar erst sein 25-Jähriges, und der Gotthard-Tunnel ist gerade eröffnet worden, aber in China träumt man von einem Bus, der über sich stauende Autos hinwegrollt, ein mobiler Tunnel sozusagen, mit Passagieren an Bord. In den USA wird bereits über Landreisen in Röhren mit Schallgeschwindigkeit nachgedacht. Von Los Angeles nach San Francisco in einer guten halben Stunde? Da wird’s selbst Edmund Stoiber schwindelig, wenn er an seine legendäre Transrapid-Zehn-Minuten-Rede denkt. Derweil verlagert sich das Leben von der Erde immer weiter ins Virtuelle. Und der Tag scheint nicht mehr fern, an dem sich der Mensch überhaupt nicht mehr bewegen muss. Sondern das Leben, oder das, was er dafür hält, auf Bildschirmen verfolgt. Die Generation Selfie ist heut’ schon in der Orientierung überfordert, weil zwischen Navigation und Nachrichtenaustausch der Blick kaum noch vom Smartphone weicht – mit virtuellem Brett vor dem Kopf unterwegs, ohne zu merken, wo und wohin. Setzt sich diese Entwicklung fort, wird Raumüberbrückung eines Tages vielleicht ganz und gar überflüssig. Und Geschwindigkeit kein Thema mehr sein.