Wem reicht heut’ ein Beruf?

Zu den Trends dieses Jahres gehört die Multifunktionalität. Wer regelmäßig Talkshows schaut, stellt unwei­gerlich fest, dass es zumindest unter den Meinungshoheitsbesitzern dieser Welt einen Hang zum Mehr-als-einen-Beruf-haben gibt. Nehmen wir beispielsweise Greta Thunberg, die bis vor kurzem noch Schülerin war. Als zunächst einsame Klimastreikerin und somit Begründerin der Fridays for Future-Bewegung ist sie zur Zeit die Welt-Vorzeige-Klimaschützerin. Außerdem Klimaschutzaktivistin, Atlantiküberquererin, Gipfelteilnehmerin, Rednerin, Publizistin, Ratgeberin, Nervensäge, aktuell Mitseglerin (bei „Youtubern“ – auch ein „Beruf“) und immer noch Teenager. Oder Carola Rackete, die uns zunächst nur als Kapitänin eines Schiffes auffiel. Weil sie Flüchtlinge aus havariegefährdeten Booten zu retten half, wurde sie zur Seenot­retterin. Dass die Schiffskapitänin gegen das Fliegen ätzt, hat aber nichts mit Verkehrsmittel-Konkurrenzdenken zu tun, sondern damit, dass sich Rackete nun auch als Klimaschützerin und Naturschutzaktivistin sieht. In dieser Funktion schrieb sie ein Buch und ist jetzt auch Autorin. Ein ganz anderes Kaliber ist Friedrich Merz. Der Rechtsanwalt arbeitet als Lobbyist und Politiker. Er war Europaabgeordneter und Oppositionsführer im Bundestag. Häufig wird der Beinahe-Vorsitzende der CDU als Hobbypilot und Millionär bezeichnet – aktuell fungiert er als Störenfried. Vielen ist in Erinnerung geblieben, dass er seine Steuererklärung am liebsten auf einem Bierdeckel machen würde. Mutmaßlich am allerliebsten als – Berufswunsch? – Kanzler.

Rundgeschaut … Die Seite 3 Kolumne aus dem WILIH … 20.11.2019