Eichenhain – Streit vom Zaun gebrochen
Stuttgart-Riedenberg/Sillenbuch … Im Naturschutzgebiet Eichenhain stehen neue Zäune. Dies hat in den vergangenen Tagen für einige Aufregung gesorgt. Der Grund für die Maßnahme ist zwar seit Dezember bekannt (WILIH berichtete hier): Im Eichenhain gibt es Handlungsbedarf wegen unsicherer Bäume. Doch die Art, wie die Maßnahme umgesetzt wurde, hat zu einem regelrechten „Shitstorm” geführt. Wie lange die Zäune im Eichenhain stehen sollen, ist unklar. Offenbar gibt es einen Dissens zwischen Regierungspräsidium und Stadt.

„Gefahr durch brüchige Bäume” lautet der Warnhinweis auf A4-Blättern, die in Klarsichthüllen stecken und im Auftrag des Stuttgarter Garten-, Friedhofs- und Forstamtes an etlichen Zaunpfählen über den Hintergrund der Maßnahme informieren. Der Sicherheitshinweis ist ergänzt um die Bitte, die eingezäunten Bereiche nicht zu betreten oder zu befahren.
Proteste, Spekulationen und Erklärungsversuche
Doch das erregt offenbar die Gemüter. Im Nachbarschaftsnetzwerk nebenan.de gibt es zahlreiche Kommentare zu lesen – Protestnoten und Spekulationen ebenso wie sachkundige Erklärungsversuche. Im Sillenbucher Bezirksamt gingen zahlreiche Mails von aufgebrachten Bürgern ein. Auch das städtische Forstamt war wohl Adressat von Bürgerprotesten. Hans Peter Klein versteht den Ärger der Bürger. Im Gespräch mit WILIH deutete Sillenbuchs Bezirksvorsteher einen Konkflikt zwischen den beteiligten Behörden an.
Momentan ist unklar, wer diesen Streit vom Zaun gebrochen hat. Der Eichenhain liegt in der Zuständigkeit des Regierungspräsidiums. Mit den Baumsicherungen beauftragt ist indes die Stadt. Vom Regierungspräsidium wurde offenbar untersagt, Wiesen zu betreten, auf denen kranke Bäume stehen, die eigentlich geschnitten werden müssten. Das städtische Forstamt hat nun wohl den schwarzen Peter. Um sich abzusichern, hat die Stadt jetzt offensichtlich betroffene Bereiche einzäunen lassen.
Dies führte zu der absurden Situation, dass sogar drei Sitzbänke hinter dem Zaun stehen. Eingezäunt und somit nicht mehr zugänglich ist auch das Elly Heuss-Knapp-Denkmal – wie auch die daneben stehende Steinbank. Zwei wilde Eingänge zu Trampelpfaden am Hermann-Löns-Weg sind mit Baustellenzäunen und rot-weißem Flatterband gesichert. Auf einem Zugangsweg am Ilse-Beate-Jäkel-Weg stehen orangefarbene Baustellenabschrankungen der Straßenbaufirma Bohn. Der Kern des beliebten Spazierbereichs hat momentan eher den Charakter einer Großbaustelle als eines Naturschutzgebiets.
Halbtrockenrasen als Herberge besonderer Pflanzen und Tiere
Wie häufig bei Pflege- oder Beweidungsmaßnahmen im Eichenhain, wird das Naturschutzgebiet von Spaziergängern oder Anwohnern eher als eine Parkanlage verstanden. Nicht allen, die sich über Schutzmaßnahmen wundern, ist bewusst, dass es sich nicht in erster Linie um ein Naherholungsgebiet handelt, sondern um ein seltenes Naturschutzgebiet.
Als solches hat es sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag (hier), in dem die Besonderheiten dargestellt sind. Die vor über 30 Jahren erlassene Verordnung, in der genau geregelt ist, was im Eichenhain zulässig ist und was nicht, kann von der Webseite der Stadt Stuttgart als PDF heruntergeladen werden (Direkt-Link hier). Und an den Eingängen zum Eichenhain stehen Hinweistafeln, die Verständnis für das Naturschutzgebiet wecken sollen.
Informationen zum Hintergrund gab das für den Eichenhain zuständige Regierungspräsidium 2016 in einer Meldung über damals anstehende Pflegemaßnahmen:
„Der Eichenhain ist keine ursprüngliche Natur, sondern eine alte Kulturlandschaft: Er ging aus einem Hutewald hervor, einer Waldweide. Schweine, Schafe und Fohlen weideten in dem lichten Wald und fraßen Gras, Eicheln und Bucheckern. Da sich der Boden durch den Viehtritt immer mehr verdichtete und kaum mehr junge Bäume nachwuchsen, entwickelte sich an dem ohnehin trockenen, sonnigen Hang ein Halbtrockenrasen. Dieser beherbergt eine besondere Pflanzen- und Tierwelt mit seltenen, schutzwürdigen Arten. Sonnenröschen, Golddistel, Heidekraut und sogar Orchideen kommen hier vor. Vor allem Insekten, von Schmetterlingen über Heuschrecken bis zu Wildbienen, sind hier heimisch. Aber auch viele Vögel und Fledermäuse, die sonst nicht überall zu beobachten sind, haben hier ihr Revier.
In einem Pflege- und Entwicklungsplan der Naturschutzbehörde ist festgelegt, wie das Gebiet gepflegt und entwickelt werden soll. Darin werden verschiedene Teilflächen abgegrenzt, wie Magerrasen, lichter Eichenwald und Sukzessionswald. Ein wichtiges Ziel ist die Erhaltung der weitgehend offenen Magerrasen mit wenigen Einzelbäumen und Einzelgebüschen. Dazu soll auch eine Beweidung mit Schafen und Ziegen beitragen mit einer anschließenden Nachpflege von Hand, um Gehölzaufkommen zu beseitigen. Zudem soll verhindert werden, dass sich der Sukzessionswald (aufkommende Bäume und Gebüsche) weiter ausbreitet.”
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