Erster Flüchtlingsumzug: Wechselstimmung in der Halle

Stuttgart-Hedelfingen … Dreieinhalb Monate lang haben bis zu knapp hundert Asylsuchende in der Turn- und Versammlungshalle Hedelfingen gelebt. Die städtische Halle ist seit dem 15. Oktober 2015 Notunterkunft für Flüchtlinge, die nach ihrem Aufenthalt in einer Landeserstaufnahmestelle (LEA) nach Stuttgart kommen. WILIH zeigt hier anschließend Bilder aus der zwischenzeitlich leeren Halle.

Die Stimmung in der Halle ist am 2. Februar eine ganz andere als am 15. Oktober – aufgeräumt und ruhig, die Ruhe vor dem nächsten „Sturm”. Denis Bieler steht mit einer Handvoll Menschen im Eingangsbereich, darunter einige seiner ersten Schützlinge. Kaum ausgezogen, kommen gegen Mittag immer mehr Asylsuchende zurück in „ihre” Halle. Bald soll sie nämlich zum zweiten Mal bezogen werden, und da ist es für viele, die erst seit Tagen „Ehemalige” sind, Ehrensache, ihre Landsleute mit zu begrüßen. Auch einige Freiwillige des Freundeskreises sind schon da, bauen ein Kuchenbüffet auf und üben sich sich in Vorfreude auf angekündigte 37 „Neue”, die aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und Irak stammen – unter ihnen sechs Kinder zwischen neun und 15 Jahren. Fast sieht das alles schon nach Routine aus. Auf jeden Fall ist die Stimmung prächtig, Lachen überwindet jede Sprachbarriere.

Das Leben in der Halle

Beim Rundgang durch die leere Halle spricht Denis Bieler über die Erfahrungen während der ersten dreieinhalb Monate. Alles in allem sei es gut gelaufen, bilanziert der „Social Worker”. Die Bewohner hätten sich vertragen, das ist das Wichtigste in einer Massenunterkunft. Denn auch wenn es jetzt in der Halle sehr ordentlich und gepflegt aussieht, die Wohnbedingungen in den durch Bauzäune abgetrennten Sechser-Abteilen sind alles andere als charmant. Immerhin wurden die Zäune vor der zweiten Belegung mit dickeren Planen behängt, die den Brandschutzbestimmungen gerecht werden. Darauf habe die Feuerwehr gedrängt, berichtet Bieler. Vielleicht dämmen sie auch den Schall etwas besser als ihre dünnen Vorgänger. Denn: Die Geräuschkulisse in der Halle sei schon ein Problem, meint Denis Bieler. Da müsse nicht mal jemand schreien oder Musik machen, mit hundert Leuten auf engem Raum entwickele sich nun mal ein gewisser Geräuschpegel. Irgendwann gehe einem das zwangsläufig auf die Nerven.

Da die Flüchtlinge, die in der Turn- und Versammlungshalle untergebracht sind, vor Ort von den Maltesern mit Frühstück, Mittag- und Abendessen versorgt werden, bekommen sie erheblich weniger Geld als andere, die sich selber versorgen – wie zum Beispiel an der Gorch-Fock-Straße 32 in Sillenbuch. Wer wenig Geld hat, macht aber auch wenig Ausflüge und geht selten zum Einkaufen. Daher hielten sich viele Asylsuchende die meiste Zeit in der Halle auf, berichtet Bieler. Der Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW), die unter anderem in Hedelfingen die Halle betreut, spricht deshalb von einem „Notprogramm”. Das Leben in der Halle sei nicht mehr als ein erster Schritt auf dem langen Weg nach dem Erstaufnahmelager hin zu einer selbst bestimmbaren Zukunft mit Wohnung und Arbeit. Aber eben auch nicht weniger.

Wie kann man helfen?

Doch die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Geduldig erklärt Denis Bieler einem Asylsuchenden den Weg bis zur Anerkennung. Wie oft er wohl das Schaubild mit dem Verfahrensweg schon auf ein Blatt Papier gezeichnet hat? Hinter Bielers geduldiger Fassade kribbelt es aber. Dass das alles so lange dauert und so kompliziert ist, will der Pragmatiker nicht akzeptieren. „Mehr Amtshilfe” fordert er, damit seine Schützlinge rascher den städtischen Stempel auf ihren „Laufzettel” bekämen. Denn ohne Adresse geht nichts! „Am liebsten würde ich das selber machen”, sagt er,  „aber ich darf das nicht”. Und so kommt es vor, dass Asylsuchende ihre Papiere bis zum Umzug noch nicht aus der Ausländerbehörde zurückbekommen haben. Und dann? „Haben sie keine Papiere”, meint Denis Bieler achselzuckend. Zu einigen Asylsuchenden, die jetzt aus Hedelfingen in SWSG-Wohnungen in Wangen oder ins Bürgerhospital in die Stadt umgezogen sind, teile er der Ausländerbehörde deshalb von sich aus die neue Adresse mit. „Die brauchen keinen Eintrag mit Hedelfinger Straße mehr.”

Was wird jetzt für die Neuankömmlinge gebraucht, und wie können die Bürger in Hedelfingen und Umgebung den Flüchtlingen helfen? Zunächst: Der Freundeskreis braucht Verstärkung! Wer sich vorstellen kann, das überaus engagierte und nette Team Ehrenamtlicher zu unterstützen, darf gerne via eMail an denis.bieler@agdw.de um Informationen und Kontaktaufnahme bitten. Ein zweites Thema: Sachspenden sind bei jedem Neubezug sehr willkommen. Aber wer ein gutes Werk tun möchte, bringt bitte nichts auf gut Glück zur Halle, sondern erkundigt sich vorher via eMail an sachspende@gmx.de, was benötigt wird. Im Jugendhaus B10 in Wangen unterhält der Freundeskreis eine nur zu bestimmten Zeiten geöffnete Kleiderkammer und bittet deshalb um Terminvereinbarungen. Generell werden für die Flüchtlinge neben Hygieneartikeln auch ständig Mehrfahrtenkarten für zwei Zonen benötigt, weil sie für ihre Behördengänge in die Stadt fahren müssen. Auch Schulmaterial für die Schulkinder, die in der Steinenbergschule einen Vorbereitungsunterricht besuchen, wird immer gebraucht. Wer etwas erübrigen kann oder spenden möchte, darf seine Angebote ebenfalls via eMail an sachspende@gmx.de unterbreiten.

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