Heumaden-Süd – Wurde der Gemeinderat manipuliert?

Stuttgart-Heumaden, [post_published] … Der Bereich von den Schwellenäckern bis zur Bernsteinwiese soll städtebaulich neu geordnet werden. Unter dem Arbeitstitel „Entwicklungskonzept Heumaden-Süd” fand im vergangenen Jahr eine Bürgerbeteiligung statt. Am 23. November gab der Bezirksbeirat Sillenbuch dazu eine Stellungnahme ab, am 13. Dezember der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik (STA) des Stuttgarter Gemeinderats eine Empfehlung für das weitere Vorgehen. Die „Initiative Bernsteinwiese” aus Heumaden, die sich seit Jahren gegen eine Bebauung der Spielwiese am Südostrand des Wohngebietes „Über der Straße” wendet, erhebt nun schwere Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung. Die Stadträte seien getäuscht worden, der Bezirksbeirat werde zum Scheingremium degradiert. Worum geht es?

Streitpunkt ist erneut die Bernsteinwiese. Die Stadt Stuttgart möchte dort eine Kindertagesstätte (Kita) bauen. Seit 2018 bemüht sie sich um Zustimmung und argumentiert seitdem mit dem existierenden Baurecht. Dies ermögliche einen raschen Bau und damit einen Beitrag zum Abbau des örtlichen Defizits an Kinderbetreuungsplätzen. Nicht gegen eine neue Kita an sich, aber gegen den städtischen Standortvorschlag wendet sich die Bürgerinitiative, die die Spielwiese unbebaut lassen möchte.

Vorwürfe gegen Stadtverwaltung und Stadträte

Die nach der Bernsteinwiese benannte Initiative greift nun den Vortrag der Stadtverwaltung in der STA-Sitzung am 13. Dezember an. In einer zweiseitigen Stellungnahme, die sie WILIH zur Verfügung gestellt hat, behauptet sie, dass die Stadträte „unvollständig und falsch über die Wünsche des Bezirksbeirats informiert” worden seien. Das Sillenbucher Stadtbezirksparlament habe darum gebeten, das städtische Grundstück mit der Flurstücksnummer 2795/1 an der Ecke Bernsteinstraße/Kemnater Straße (Foto oben) als möglichen „Alternativstandort für die Kita” zu prüfen.

Stattdessen sei den Stadträten ein Grundstück am Schwarzäckerweg gezeigt worden, das zur Tennisanlage des SV Sillenbuch gehöre und deswegen gar nicht in Betracht käme. „Leider bemerkte keiner der Stadträte diese offensichtliche Täuschung”, bedauert die Initiative. Und weist darauf hin, die Stadtverwaltung selber habe im Rahmen der Bürgerbeteiligung auf dem Flurstück an der Straßenecke „ein Gebäude vorgesehen”.

Der Stadt wirft die Initiative Bernsteinwiese Täuschung und Manipulation des Gemeinderats vor. Der zuständige Ausschuss (STA) habe sich aber auch als „leicht manipulierbar” und „überwiegend desinteressiert” gezeigt, heißt es in der Stellungnahme. Die Hoffnung der Initiative ruht jetzt auf dem Bezirksbeirat, den die Stadtverwaltung „mit ihrem ignoranten Agieren zu einem Scheingremium degradiert” habe: „Es bleibt abzuwarten, ob sich das vorgeführte Gremium gegen das offensichtlich manipulative Vorgehen zur Wehr setzen wird.”

Stadt hat bewusst nur die Bernsteinwiese vorgeschlagen

Mit den Vorwürfen konfrontiert, hat die Stadt gegenüber WILIH eingeräumt, dass in der STA-Sitzung „nicht explizit auf das Grundstück Flst. 2795/1 eingegangen” worden sei. Die vom Sillenbucher Bezirksbeirat als Kita-Alternativstandort vorgeschlagene Baumwiese an der Ecke Bernsteinstraße/Kemnater Straße sei im Rahmen der Bürgerbeteiligung nicht diskutiert worden. Deshalb sei man gegenüber dem STA darauf „nicht explizit” eingegangen. Die Präsentation habe den Stadträten aber vorab zur Verfügung gestanden. Die Ausschussmitglieder hätten sich also „mit allen Inhalten im Vorfeld vertraut machen” können.

Die Stadt argumentiert jetzt gegenüber WILIH mit der „sozialen Verantwortung” von Verwaltung und Politik, dem Defizit an Kinderbetreuungsplätzen im Stadtbezirk Sillenbuch „möglichst zeitnah” abzuhelfen. Dazu ist aus Sicht der Stadt die Bernsteinwiese nach wie vor der beste Standort. Gründe: geltendes Planungsrecht und gute Lage. Deshalb habe man „fachlich nur den Standort Bernsteinwiese für den bestehenden Bedarf vorgeschlagen”.

Dem hat sich der zuständige Gemeinderatsausschuss im Prinzip angeschlossen. Laut Protokoll hat der STA aber auch mehrheitlich empfohlen, noch die Option zu prüfen, einen neuen Kindergarten – statt auf der Bernsteinwiese – beim „Bestandsgebäude” zu errichten. Gemeint ist die Kindertageseinrichtung an der Bernsteinstraße 3, wo auch die Mobile Jugendarbeit ihr Domizil hat.

Neuordnung der Filderauffahrt und Wohnbebauung der Schwellenäcker

Der STA hat außerdem noch zu zwei anderen Themen Stellung bezogen, die im Bezirksbeirat Sillenbuch kontrovers behandelt worden waren. Einstimmig empfiehlt er die Neuordnung der Filderauffahrt. Diese aus der Bürgerbeteiligung stammende Idee wollte der Bezirksbeirat aus Kostengründen zurückstellen. Nur mit knapper Mehrheit empfiehlt der STA, „die Bereiche Schwellenäcker, Schwarzäcker sowie südlich der Kirchheimer Straße gleichzeitig zügig als Wohnbauflächen zu entwickeln”. In dieser Frage bezeichnet sich der Bezirksbeirat als „gespalten”. Kernfrage ist die Abwägung, ob der derzeitige Demeter-Acker erhalten bleiben oder die Fläche bebaut werden soll. Der Bezirksbeirat möchte längerfristige Optionen zwar noch nicht aufgeben. Von „zügiger” und „gleichzeitiger” Wohnflächenentwicklung ist in seiner Stellungnahme vom 23. November aber nicht die Rede.

Interessant ist, dass ein Neubau für die Freie Aktive Schule, der 2018 den Anstoß für den ganzen Prozess gab, in der gemeinderätlichen Diskussion im Moment überhaupt keine Rolle zu spielen scheint.

Abschlussveranstaltung im Frühjahr

In einer öffentlichen Abschlussveranstaltung sollen die Ergebnisse aus der Bürgerbeteiligung und die konzeptionellen Überlegungen präsentiert und zur Diskussion gestellt werden. Auf der städtischen Webseite zur Bürgerbeteiligung wird bereits eingeladen: „Dabei haben Sie die Gelegenheit, Ihre Anmerkungen zum Konzept der politischen Entscheidungsfindung für die weitere Planung mit auf den Weg zu geben.” Ein Termin steht noch nicht fest. Vorgesehen ist er im Frühjahr 2023.


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