Pleiten und Pannen – ein vertanes Jahrzehnt

Corona wütet, Schulen geschlossen, Homeschooling. Ausgerechnet jetzt wollen die Hedelfinger ein Gymnasium bauen? Sind die völlig verpeilt? Nein, sind sie nicht! Im Gegenteil: Sie haben schon viel zu lange gewartet. Zehn Jahre kreißte der Steinenberg und gebar – nichts. Die Entwicklung des Schulstandorts Steinenberg ist eine einzige Pannenserie. Erst der grün-rote Ideologietrip mit der Gemeinschaftsschule, die niemand wollte. Was sogar der grüne Ex-OB Kuhn realisierte. Dann der inzwischen ehemalige Leiter der Steinenbergschule – er bastelte dennoch an einer Gemeinschaftsschule und hatte keinen Plan B. Eine zeitraubende Fehlkalkulation. Denn: Zum einen wurden unter Grün-Schwarz die Weichen wieder zurück in Fahrtrichtung Gymnasium gestellt. Zum anderen hat sich auch die Schulverwaltung nicht mit Ruhm bekleckert. Keine Schüler, keine Lehrer, und schließlich – Überraschung – auch keine Genehmigung für eine Gemeinschaftsschule am Steinenberg. Setzen, sechs! Dazu kamen ständig Querschüsse eines eitlen Schuldirektors aus Untertürkheim, der partout keine „Konkurrenz” zu „seinem” tollen Gymnasium bekommen wollte. Er genießt inzwischen seinen Ruhestand, Aufatmen in Hedelfingen. Dann die zweifelhafte Bedarfsarithmetik der immer noch amtierenden Stuttgarter Schulbürgermeisterin, die sich von ihrer Amtsvorgängerin und baldigen Ex-Kultusministerin öffentlichkeitswirksam auf die Sprünge helfen lassen musste, damit endlich und wirklich darauf hin gearbeitet werden kann, dass man am Steinenberg irgendwann mal sein Abi machen kann. Ein vertanes Jahrzehnt. Und damit genug der Vergangenheitsbewältigung. Seit noch nicht einmal einem Jahr gibt es in Hedelfingen einen Förderverein, der das Projekt „auf Baustelle” bringen will. 100 Mitglieder, 95 Bekenner und 20 Unterstützer hat er schon gewonnen – ein Blitzstart. Dazu ist er kompetent besetzt und kommunalpolitisch gut vernetzt. Er schimpft nicht, sondern liefert Fakten und macht konkrete Vorschläge. Dem können sich Stadtverwaltung und Gemeinderat nicht verschließen. Wollen sie wohl auch nicht. Was aber nicht heißt, dass jetzt alles ganz schnell geht. Bevor die ersten Gymnasiasten mit ihren Schultüten den Steinenberg hinauf laufen, ist noch ein Berg an Bürokratie zu überklettern. Doch damit will sich der Kopf des Fördervereins nicht abfinden. Wer ihn kennt, der weiß, dass er, als der liebe Gott die Geduld verteilen wollte, nicht abwarten konnte und schon mal das Zeichenbrett aufbaute, um Pläne zu zeichnen. So kommt nun aus Hedelfingen das klare Signal: Tempo bitte! Zehn Jahre nichts, das reicht. Zwar kann ein vertanes Planungsjahrzehnt nicht wie eine Untersuchungshaft auf die abzusitzende Haftstrafe angerechnet werden. Doch die Schmach der Pleiten und Pannen müssen sich die stolze Großstadt und ihr Gemeinderat zu Herzen nehmen. Sonst stehen die Stuttgarter einst wie die Deppen der Nation da, weil im Epizentrum der Denker und Tüftler bildungsbereite Schüler von umherreisenden Lehrern notdürftig in Ausweichquartieren und Containern unterrichtet werden müssen. Viel besser als Homeschooling wäre das auch nicht.

Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne