Radschnellwege: Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte

Stuttgart-Sillenbuch/Hedelfingen/Wangen … Fahrradfahrern ist umweltfreundlich und fördert die Gesundheit. Damit möglichst viele Menschen ihr Auto stehen lassen und aufs Rad umsteigen, müssen aber gut ausgebaute Radwege zur Verfügung stehen. Je weiter der Weg von A nach B ist, desto wichtiger werden Radschnellwege. Sie sollten deshalb noch eine Kategorie größer und schneller sein als Hauptradrouten. Für die Region Stuttgart wurde eine großangelegte Machbarkeitsstudie durchgeführt, die am 28. Juli dem Sillenbucher Bezirksbeirat vorgestellt wurde, dem die Präsentation aufgrund einer Kommunikationspanne bisher entgangen war.

Ziel der Machbarkeitsstudie war es, Vorzugstrassen vorzuschlagen, die eine Chance auf Realisierung haben. Änderungen sind aber noch in vollem Umfang möglich. Es handelt sich noch um keine konkrete Planung. Gegenstand der von der Bernard Gruppe (Stuttgart/Köln)  durchgeführten Untersuchung war es herauszufinden, wo sich Radschnellwege überhaupt realisieren lassen. 200 Trassenvarianten mit zusammen mehr als 300 Kilometern Länge wurden dazu von den Planern mit dem Fahrrad abgefahren. Ein großer Aufwand, aber angesichts von geschätzten mehr als 100 Millionen Euro Investitionsvolumen (Stand heute) sicher angemessen.

Herausgekommen ist für einen „Korridor Ostfildern” eine Trasse, die entlang der Stadtbahnstrecke von Ruit über Heumaden und durch Sillenbuch in Richtung Ruhbank führt und der vorhandenen Hauptradroute entspricht – aber vom angestrebten Schnellwegstandard meilenweit entfernt ist. Von der Ruhbank könnte der Radschnellweg entlang der Jahnstraße – vorbei an der Stelle und über die Pischekstraße zum Eugensplatz in die Stuttgarter City führen. Über die Gegenrichtung verloren die Planer in Sillenbuch kein Wort, aber man kann sich ausmalen, wie die Topografie das Radelvergnügen trübt. Für den 20. September, so war gestern zu erfahren, ist eine erste gemeinsame digitale Informationsveranstaltung für die betroffenen Stadtbezirke Sillenbuch, Degerloch sowie Stuttgart-Ost und -Süd geplant – wohl nur für die betroffenen Bezirksbeiräte.

Ein „Korridor Filderstadt” führt über Plieningen und an Birkach vorbei entlang der Mittleren Filderstraße in Richtung Sillenbuch und trifft an der Ruhbank mit der Ostfilderner Strecke zusammen. Der Sillenbucher Bezirksbeirat erinnerte an eigene Initiativen zur Einrichtung eines Radweges entlang der Filderlinie, was aber bei den zuständigen Behörden nicht auf fruchtbaren Boden fiel. Und nun doch? Für einen Radschnellweg müsste die Straße verbreitert werden – das dürfte klar sein. Aber bitte auf keinen Fall zu Lasten des Naturschutzgebietes Eichenhain (Riedenberg/Sillenbuch), warnte der Bezirksbeirat schon einmal vorsorglich.

Eine andere Route durchs WILIH-Land ist der „Korridor Esslingen”, der an der Stadtgrenze die geplante Esslinger Verbindung aufnimmt und östlich des Neckars beziehungsweise Hafens via Obertürkheim zum Karl-Benz-Platz nach Untertürkheim führen soll. Von diesem Verkehrsknoten aus soll der Radverkehr dann – vorbei am Inselbad – über den Neckar zur Inselstraße nach Wangen geführt werden. Von dort aus geht es – wie beim vorhandenen RadNetz – entlang der Uferstraße B10 und Neckar nach Bad Cannstatt und weiter durch den Schlossgarten in die Stuttgarter City.

Die Vorschläge zeigen deutlich, dass es eine ganze Reihe von Konflikten zwischen vorhandenen Verkehrswegen und angestrebten Radschnellverbindungen gibt. Seien es die Anschlüsse an den Stadtgrenzen – im WILIH-Land zwischen Stuttgart und Esslingen sowie zwischen Stuttgart und Ostfildern – oder die anspruchsvolle Topografie, Einkaufsstraßen wie die „Sillenbucher Meile”, reizüberflutete Knotenpunkte wie der Karl-Benz-Platz in Untertürkheim, Neckarüberquerungen wie zwischen Untertürkheim und Wangen, Engstellen wie bei der Stadtbahnhaltestelle Schemppstraße/Ostfilderfriedhof  in Sillenbuch oder ungeklärte Fragen wie eine notwendige Verbreiterung der Mittleren Filderstraße. Da kommen noch reizvolle Aufgaben auf die Verkehrsplaner zu.

Nach dem gestrigen Abend muss jedenfalls niemand eilends zum Fahrradhändler seines Vertrauens rennen, um sich einen Drahtesel zuzulegen. Denn: Für die Stadt Stuttgart sei das Ganze ein „Dauerthema” für die nächsten Jahrzehnte, meinte Verkehrsplaner Andreas Hemmerich. Als Perspektive für die Realisierung nannte er den Zeitraum von 2040 bis 2050. Da mussten die Bezirksbeiräte schlucken.

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Ein Gedanke zu „Radschnellwege: Aufgabe für die nächsten Jahrzehnte

  • Ich kann es nicht glauben, da wird ein Radschnellweg zwischen Esslingen und Stuttgart geplant. Ein Teil des Weges führt von Wangen in die Innenstadt über den linken Neckardamm entlang der B10. Wozu brauchen wir dann die Hauptradroute 2? Als diese im Bezirksbeirat vorgestellt wurde, kam aus dem Gremium der Vorschlag, die Hauptradroute eben über diesen Weg auf dem linken Neckarufer zu führen. Dadurch kann der lange Anstieg auf der Landhausstraße zum Ostend- und Lukasplatz, weiter zum Kernerplatz vermieden werden. Damals war ein Gegenargument, man könne keinen Radweg neben der stark befahrenen B10 planen. Die Schadstoffbelastung sei zu hoch. Doch bei einem Radschnellweg ist dies offensichtlich nicht der Fall. Wozu geben wir Millionen für die Hauptradroute 2 aus, um dann parallel eine ebenerdige Verbindung zwischen Esslingen und Stuttgart zu schaffen? Ich verstehe die Welt nicht mehr.

    Marijan Laszlo
    Bezirksbeirat Stuttgart Wangen

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