Schlagzeilenhauptstädte wider Willen

Geht es nach den Schlagzeilen und Livetickern, dann hat Deutschland momentan zwei Hauptstädte, die auf diesen prominenten Status wohl lieber verzichtet hätten: Gütersloh und Stuttgart. Gütersloh ist – neben Bundesligaaufsteiger Bielefeld und Bundesligaabsteiger Paderborn – die dritte Großstadt in Ost-Westfalen, die aktuell durch immer mehr Coronafälle im Fleischverarbeitungsbetrieb Tönnies – der sich übrigens gar nicht in Gütersloh selbst befindet, sondern in Rheda-Wiedenbrück, einer Mittelstadt im Kreis Gütersloh – in aller Munde ist. Gütersloh, Rheda-Wiedenbrück? Kennt man hier nicht mal aus den Verkehrsnachrichten. Alle, die noch einen Diercke Weltatlas, einen Autoatlas oder eine Landkarte aus der Prä-Navi-Zeit zu Hause haben, dürfen nach der Lektüre der folgenden Zeilen eine Heimatkunde-Pause einlegen und sich schlau machen, wo im Moment Corona sein Unwesen ganz besonders treibt und die Bürger nun statt Sommerurlaub an der Küste oder in den Bergen jetzt wieder von Balkonien träumen dürfen. Womöglich bei einem schönen Stück Billigfleisch auf dem Grill. Guten Appetit! Was hat Gütersloh mit Stuttgart zu tun? Eigentlich gar nichts. Außer, dass sich die Schwabenmetropole mit dem westfälischen Corona-Hotspot gerade um die Pole Position in den ungewollten Schlagzeilen streitet. Grund: Krawalle und Plünderungen in der Innenstadt in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Statt Freude über den – so gut wie – Aufstieg des VfB macht sich Sorge unter den Stuttgartern breit. Abgesehen von einigen hundert Gewalttätern, deren Kopf wohl nur da ist, um zu vermeiden, dass es in den Hals regnet. Alle anderen haben Sorge um unser schönes, liberales, oft unterschätztes und vielfach geschätztes Stuttgart. Und erst recht Sorge um die vielen Polizistinnen und Polizisten, die im wahrsten Wortsinne für uns alle den Kopf hinhalten. Sie verdienen unser aller Respekt und unsere Unterstützung! Aber unmissverständlich! Dass Stuttgarts OB in einer seiner ersten Stellungnahmen schwadronierte, diejenigen, die dafür „anfällig” seien, dürften solchen Krawall nicht machen, dies sei ein „No Go”, ist geeignet, Gewalttaten ein Stück weit harmloser erscheinen zu lassen, als sie sind. Und das wäre wirklich ein „No Go”.

Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne