Stiller Begleiter bei Polizei-Durchsuchungen

Stuttgart-Hedelfingen … An manchen Tagen ist für Dieter Bohnacker die Nacht aus „dienstlichen“ Gründen bereits am frühen Morgen zu Ende. Vor seiner Wohnung steht dann ein Polizeifahrzeug und holt ihn ab. Nicht als Tatverdächtiger, sondern als stiller Zeuge. Der Hedelfinger begleitet die Polizeibeamten seit 15 Jahren bei Durchsuchungen – ehrenamtlich.

Gastbeitrag von Mathias Kuhn

„Im Vorfeld weiß ich nur den Termin und meist den Stadtbezirk unseres Einsatzes“, sagt Bohnacker. Die genaue Adresse und den Grund der polizeilichen Maßnahme erfährt der 74-Jährige erst wenige Minuten vor Beginn der Durchsuchung: die Suche nach Waffen, Drogen, Geld, pornographischen Fotos oder nach Beweismitteln – Bohnacker hat alles bereits erlebt.

Die amtliche Durchsuchung muss von der Staatsanwaltschaft angeordnet sein. Die Polizei rückt mit einem mehrköpfigen Team an. Manchmal kommen Spürhunde mit, oft auf Spurensicherung spezialisierte Experten. Sicherheit wird groß geschrieben. Die Beamten halten Bohnacker zu Beginn im schützenden Hintergrund. „Wenn sie damit rechnen, dass ein Bewohner aggressiv werden könnte, wird dieser zuerst in ein Zimmer geführt und bewacht, bevor ich die Wohnung betrete“, berichtet Bohnacker. Seine Aufgabe: die Augen offen halten, neutral bleiben. Er verhält sich still, beobachtet nur.

Während der vergangenen Jahre hat er schon unterschiedliche Wohnungen betreten: vollkommen vermüllte Wohnungen, herrschaftliche Häuser, aber auch picobello aufgeräumte und gepflegte Wohnungen. Die Polizisten wissen, wonach und wo sie suchen müssen. Smartphones, Laptops sowie Computer mit Festplatten sind nicht nur bei kinderpornografischen Verdachtsmomenten wichtige Beweismittel. Drogen, Hehlerware oder ungewöhnliche hohe Bargeldsummen werden ebenfalls konfisziert. Bohnacker nimmt alles auf, was er sieht oder hört und macht sich zuhause kurze Vermerke. „Freiwillig für mich“, sagt er und erinnert sich, dass seine Notizen einmal von großem Nutzen waren.

Falsche Anschuldigung

Die Polizei hatte einmal eine Wohnung eines Tatverdächtigen durchforstet. Er stand im Verdacht, Autounfälle provoziert zu haben, um bei Versicherungen abzukassieren. Die Beamten fanden Unterlagen und 500 Euro in einem Geldbeutel. Da dieser offensichtlich der Ehefrau gehörte, rührten die Beamten das Geld nicht an. Zwei Jahre danach stand der Mann als Angeklagter vor Gericht und bezichtigte die Polizisten des Diebstahls von 1.000 Euro aus dem Geldbeutel.

„Die Polizisten fragten mich, ob ich mich noch an die Durchsuchung erinnern könnte. Ich konnte und zückte zudem meine Notiz, in dem ich den Fund der 500 Euro aufgeschrieben hatte. Die Notizen widerlegten die Anschuldigungen des Angeklagten und überzeugten den Richter. Das ist der Sinn und der Zweck eines Durchsuchungszeugen“, sagt Bohnacker.

Ausgezeichneter Multifunktionär

Und wie wird man Durchsuchungszeuge? „Zufällig“, lacht der ehemalige Angestellte der Stadtverwaltung. Er war im Gebäude- und Veranstaltungsmanagement im Stuttgarter Rathaus tätig. „Im Rathaus entdeckte ich einen Aushang, auf dem Durchsuchungszeugen gesucht wurden.“ Nach Rücksprache mit seinem damaligen Amtsleiter meldete er sich. Dies war vor 2008. Mittlerweile hat er an mehr als 200 Durchsuchungen teilgenommen.

Für die aktuelle Leiterin des Ordnungsamts Susanne Scherz war dies ein Grund, ihm eine persönliche „Urkunde“ auszustellen. Diese ist zwar keinesfalls amtlich, aber zeugt von der Dankbarkeit der Mitarbeiter. Darin wird der Hedelfinger zum „Ehren-Durchsuchungszeugen“ ernannt. „Wir sind froh, dass wir eine so treue Seele wie Sie haben“, bedanken die Mitarbeiter sich bei dem Ehrenamtlichen, der sich auch in anderen Bereichen für die Gesellschaft einsetzt.

Bohnacker fungierte 25 Jahre lang als Schöffe, war 50 Jahre lang Tag und Nacht für die Freiwillige Feuerwehr Hedelfingen im Einsatz, saß 29 Jahre lang als Mitglied im Bezirksbeirat Hedelfingen und hatte und hat noch immer etliche Pöstchen in Hedelfinger Vereinen inne. 2014 erhielt der Multifunktionär die Ehrenmünze der Stadt. „Ehrungen sind ein Zeichen zunehmenden Alters“, sagt er lachend. Sein Antrieb: Er will etwas für die Gesellschaft und die Menschen bewegen.

Foto (Mathias Kuhn): Der Hedelfinger Dieter Bohnacker hat 200 ehrenamtliche Einsätze als Durchsuchungszeuge absolviert.


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