„Stuttgart als Stadt am Fluss“ – Alles andere als ein Erlebnis

Stuttgart-Wangen/Hedelfingen … Der Neckar bietet Potential für eine lebenswerte Stadt. Dies weiß man seit Jahrzehnten, mehr als eine stille Reserve bildet der Neckar aber bislang nicht. Den Fluss für städtisches Leben zu erschließen, war Maßgabe eines Masterplans, der 2017 fertig wurde. In der vorigen Woche stellten ihn Stadtplaner den Bezirksbeiräten in Wangen und Hedelfingen vor.

„Erlebnisraum Neckar” lautet der Titel des Plans. Die hohe ökonomische Bedeutung des Wasserweges dürfe aber bei allen gestalterischen Bemühungen nicht vergessen werden, sagte Stadtplaner Johannes Rentsch am 15. Januar in Wangen gleich zu Beginn seiner Präsentation. Ein erster Hinweis darauf, dass man nicht zu viel Gestaltung erwarten darf. Außerdem schränke der Hochwasserschutz die gestaltbaren Räume stark ein.

Schöne Worte, wenig Hoffnung

„Urbane Akupunktur” heißt daher das Zauberwort. Aus „grünen Perlen” soll im Laufe von Jahren ein „grünes Band” werden (bis 2035). Zunächst sind Wege zum Fluss zu schaffen, dann Treffpunkte, es sind Stadtkanten zu definieren, die Industriekultur im Neckartal erlebbar zu machen und zu halten, aber auch das Ökosystem am Neckar zu fördern. Klingt alles schön, aber bei den Wangener Bezirksbeiräten kräuselte sich zunehmend die Stirn. Denn sie wissen: Für ihren Stadtbezirk sieht der Masterplan keine Verbesserungen vor.

Immer wieder weist Johannes Rentsch auf fehlende Flächen hin. Die Crux: Der Neckar durchquert Stuttgart nicht als Fluss, sondern als Kanal. Die Ufer sind gerade, wenig charmant gestaltet und bis auf wenige Meter dicht besiedelt. Mangels Flächen werden deshalb zunächst Wege zu schaffen sein, um Landschaftsräume beidseits des Flusses zu verbinden. Auch das hört sich gut an. Konkrete Hoffnungen auf einen „Erlebnisraum”, der diesen Namen verdient, nährt dies in Wangen aber nicht. Peter Selig-Eder (Linke-SöS-Plus) legte den Finger in die Wunde und forderte eine partielle Renaturierung der Wasserstraße vor den Toren Stuttgarts – zum besseren Hochwasserschutz der Landeshauptstadt und in der Folge mehr Flächen in Flussnähe, die gestaltbar wären.

Balkonblick auf Schrottplatz?

Fünf Projekte, die bis 2020 verwirklicht werden sollen, sind finanziert (14,5 Millionen Euro). Im WILIH-Land gibt es keine Vorhaben. Das nächstgelegene betrifft das Lindenschulviertel (Untertürkheim). Ab 2035 könnten immerhin die Otto-Hirsch- und Otto-Konz-Brücken fußgänger- und radfahrerfreundlicher werden. Sie werden im Masterplan blumig als „Galerie der Industriekultur” tituliert. Von „Balkonen” auf die Schrottverladung schauen zu dürfen, erschien den Wangener Bezirksbeiräten allerdings als wenig erstrebenswerte Aussicht.

Auch eine andere Idee fiel im Stadtbezirksparlament durch: Im Rahmen des Forschungsprojekts „Wechsel” (Kooperation der Stadt mit der Universität Stuttgart) soll das Autohofgelände als „Transformationsfläche” untersucht werden. Gute Idee, aber angesichts der aktuellen Pläne (Hotel und Bauhof) wenig aussichtsreich, meinte der Beirat, allen voran Marijan Laszlo (CDU), der von Geldverschwendung sprach. Gerhard Föll (Grüne) kritisierte die Planung fundamental. Er hätte von dem Planwerk erwartet, „dass sich in Wangen, in den Oberen Neckarvorteten etwas tut”. Der Masterplan bringe in seiner jetzigen Form aber den Neckarvororten gar nichts.

Kritik auch aus Hedelfingen

Am 16. Januar wurde der „Erlebnisraum Neckar” auch dem Hedelfinger Bezirksbeirat präsentiert, dort von Wolfgang Maier. Die Kritik der Lokalpolitiker fiel ähnlich aus wie in Wangen. Aus Sicht der unmittelbar Betroffenen haben die Stadtplaner die für eine gezielte Therapie des oberen Neckars notwendigerweise zu behandelnden Akupunkturpunkte noch nicht lokalisiert. Auch dass alles so lange dauern soll, missfällt. In Hedelfingen war man immerhin dankbar für Signale, sich die Radwegverbindung über die Otto-Hirsch-Brücken in den Planungsabteilungen der Stadtverwaltung doch schon möglichst bald noch einmal anzuschauen.

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