Treuepunkte sammle ich nur bei meiner Frau

4. Oktober 2023 mk

Die Kassiererin im Supermarkt überreicht strahlend ein Couponheft. Da seien Mehrfachpunkte drin. Wow! „Überraschung!” steht vorne drauf. Und dass der Joker zurück ist. Ich wusste gar nicht, dass der weg war. Aber jetzt lacht er wieder. Eine Mischung aus blauem Smartie und Schlumpf, mit einer bunten Mütze auf dem Kopf, die den Kopfbedeckungen aus Karnevalssitzungen verdammt ähnlich sieht. Und mit einem blauen Finger, der bei seiner vierfingrigen Hand kein Mittelfinger sein kann, deutet er auf die Empfehlung „Gleich aufreissen”. Das schreibt man zwar nicht mit ss, sondern mit ß, aber tatsächlich warten darin „tolle Coupons & Gewinne”. Und zur fröhlichen Abendgestaltung oder als Sehtest jede Menge Kleingedrucktes zu einem großen Gewinnspiel. Um daran teilzunehmen, muss man allerdings die vom Supermarkt des Vertrauens akzeptierte Karte in mobiler Form haben. Dabei trage ich die Karte schon seit Jahren mit mir rum – ohne zu wissen, dass die gar nicht mobil ist. Was die Marketingmanager mit mobil meinen, ist eine App auf dem Smartphone. Da soll man seinen persönlichen Gewinncode eingeben oder einen entsprechenden QR-Code scannen. Und schon darf man sich auf eine Traumküche im Wert von 20.000 Euro freuen. Oder zumindest auf einen Motorroller oder ein Fahrrad, mit dem man zum Küchenstudio seiner Wahl fahren kann, um sich selber eine Küche zu kaufen. Alle Wohltaten gibt es natürlich nur, solange der Vorrat reicht. Und auch nur bei Akzeptanz aller Bedingungen, die sich in acht Fußnoten verbergen. Wer das kapiert, darf sich eigentlich schon jetzt als Gewinner fühlen. Oder er tritt die ganze Jokerei in die Tonne und sagt sich: Was soll der Sch…? Treuepunkte sammle ich eh‘ nur bei meiner Frau (Fußnote: m/w/d)!

Rundgeschaut, [post_published] … Die wöchentliche WILIH-Kolumne