Armutszeugnis

Langsam, aber sicher schleicht sich das ab Januar geltende Fahrverbot für Alt-Diesel ins Bewusstsein der Stuttgarter. Wer anfangs noch geglaubt haben mag, es werde nur für die Innenstadt oder gar nur rund um den Standort von Deutschlands vielleicht berühmtester Messstation beim Neckartor gelten, sieht sich nun vor die Frage gestellt: Was mache ich in wenigen Tagen mit meinem Auto? Mal schnell von Hedelfingen nach Esslingen zum Arzt, von Sillenbuch zum Einkauf nach Ruit oder von Kemnat zur Stadtbahn nach Heumaden oder umgekehrt – all’ das ist dann nicht mehr erlaubt. Die Luft in der Stuttgarter City wird deshalb wohl keinen Deut besser, die in den Randbezirken vermutlich auch nicht und für die Welt insgesamt kann man den Effekt eher gar nicht messen. Für die betroffenen Bürger sind die Auswirkungen allerdings gravierend. Und es hilft ihnen wenig, wenn sich die Gelehrten darüber streiten, ob Autoindustrie, Politik oder beide daran schuld sind. Sie fühlen sich kalt enteignet und unverhältnismäßig gegängelt. Ausgerechnet sie, die geglaubt haben, mit dem Kauf eines Dieselfahrzeugs der Umwelt einen besseren Dienst zu erweisen als bei Anschaffung eines Benziners, sind nun gekniffen. Und wenn es dann eine hochentwickelte Großstadt wie Stuttgart nicht einmal hinbekommt, pünktlich zum Verbotsstart an den Stadtgrenzen Park & Ride-Plätze anzubieten und damit vielleicht sogar bislang hartnäckige Autofahrer nachhaltig zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel zu bewegen, dann ist das ein Armutszeugnis. Von Netz und Tarifen des ÖPNV ganz zu schweigen.

Unseren Artikel dazu lesen Sie hier.

Rundgeschaut … Die Seite 3 Kolumne aus dem WILIH … 12.12.2018