
Eichenhain – Anarchie im Naturschutzgebiet
Stuttgart-Riedenberg/Sillenbuch … Der Eichenhain kommt nicht zur Ruhe. Kaum waren die Sommerferien vorbei, rückten wieder Vandalen aus und zerschnitten Zäune. Die ambitionierten Maßnahmen zur Besucherlenkung und Information, die das Regierungspräsidium mit großem Aufwand ergriffen hat, verpuffen. Die meisten Wegmarken waren schon nach kurzer Zeit entwendet worden. Besucher bewegen sich im Eichenhain, wie sie wollen. Wie soll das weitergehen?
Zerschnittene Zaundrähte, geklaute Verbotsschilder, verschmierte Infotafeln, zertrampelte Wiesen, querfeldeinradelnde Mountainbiker, rasante Pedelecfahrer und nicht angeleinte Hunde: Im Eichenhain macht augenscheinlich (fast) jeder, was er will. Dass das ein Naturschutzgebiet ist, finden viele Besucher wahrscheinlich toll. Wer dort wohnt, hat ein Thema zum Angeben am Stammtisch. Wer im Eichenhain spazierengeht, sieht sich eher in einem Park als in einem schützenswerten Gebiet, für das strenge Regeln gelten. Die zu akzeptieren, ist offenbar nicht mehrheitsfähig.
Vandalismus in Naturschutzgebieten ist ein „bundesweit zunehmendes Problem”
Das mag an noch nicht ausreichender Information gelegen haben. Deshalb war es einen Versuch wert, die seit vielen Jahren an den Eingängen stehenden Infotafeln durch weitere Hinweise innerhalb des Naturschutzgebietes zu ergänzen. Und auch die Aufklärung, die das Regierungspräsidium über seine Webseite, QR-Codes an Bänken und durch informative App-Touren betreibt, ist ein guter Versuch. Die Resonanz? Über die Sommerferien wurden die QR-Codes auf Infotafeln angeblich gut 200 mal genutzt. Ist das viel, ist das wenig? Vergleichswerte gibt es nicht.
Aber wo Regeln nicht verstanden werden, beginnt die Anarchie. Übrigens ist das keine Riedenberger oder Sillenbucher Spezialität. Das Regierungspräsidium bezeichnet wiederkehrenden mutwilligen Vandalismus als „bundesweit zunehmendes Problem in Naturschutzgebieten – vor allem in Form von Schäden an Zäunen und Schildern”.
Damit lässt sich nicht im Geringsten Vandalismus rechtfertigen. Zaundrähte zu zerschneiden, erst recht vor Wiesen, die kaum jemand je betreten mochte, ist nicht nur unsinnig, sondern illegal. Das Regierungspräsidium stellt klar, dass es sich „nicht nur um eine Sachbeschädigung, sondern um eine Straftat handelt, die zur Anzeige gebracht wird”.
Wann zündet das Regierungspräsidium die nächste Stufe?
Bislang versucht es das Regierungspräsidium noch mit Appellen und stichprobenhafter Überprüfung. Doch die nächste Stufe steht schon fest: „nach Möglichkeit die Kontrolldichte durch die Polizei bzw. das Ordnungsamt zu erhöhen”. Nachgedacht wird auch über „dauerhafte Absperrungen von weiteren Flächen des Naturschutzgebietes”. Im nächsten Jahr soll dann eine Evaluierung stattfinden. Dabei wird man sich wohl auch Gedanken über die Mittel machen, die zunehmend für Reparaturen eingesetzt werden müssen und deshalb nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck – den Naturschutz – zur Verfügung stehen. Die bisherigen Maßnahmen lassen sich nicht genau beziffern, um die 50.000 Euro dürften es aber wohl sein.
Doch wenn es mit gutem Willen, jeder Menge Information, Stichprobenkontrollen und immer neuen Ausgaben für Kaputtgemachtes nicht funktioniert, stellt sich irgendwann die Frage: Wie lässt sich das Stückchen schützenswerter Natur vor den Menschen schützen, die sie nicht achten mögen? Im Klartext: Wann reißt bei den Behörden der Geduldsfaden, und wird dann der ganze Eichenhain gesperrt?
Wie groß ist die Astbruchgefahr im Eichenhain?
Diese Frage könnte sich auch in einem anderen Zusammenhang noch stellen: Im Eichenhain geht es nämlich nicht nur um Artenvielfalt und besonders schützenswerten Magerrasen. An den alten Eichen brechen immer wieder Äste ab. Dadurch können Besucher gefährdet werden. Ein wesentlicher Grund für die umstrittenen Zäune. Die stünden nämlich „im Bereich von Bäumen, bei denen ein besonders hohes Astbruchrisiko durch schadhaftes Holz erkannt wurde”, teilt die Stadt Stuttgart mit.
Darüber hinaus sind im Laufe des Jahres aber auch belaubte Äste abgebrochen. Für die Stadt ein schwer kalkulierbares Risiko. Grünastbruch sei oft eine Folge von Trockenheit und Hitze und insofern bei Baumkontrollen nicht vorab zu erkennen. Daher sei auch schwer abzuschätzen, ab wann die Gefahr womöglich so groß werde, dass weitere Schutzmaßnahmen erforderlich würden. Dafür gebe es keine festgelegten Kriterien. Eine „vollständige Sperrung des Gebiets” solle aus städtischer Sicht aber „möglichst vermieden werden”.
Antworten auf die Frage, wie es im Eichenhain weitergeht, könnte vielleicht ein Rechtsgutachten geben, das die Stadt Stuttgart in Auftrag gegeben hat. Darin geht es um eine Klärung, wer haftet, wenn ein Eichenhainbesucher von einem herabfallenden Ast getroffen wird. Man darf gespannt sein, welches Risiko die Stadt Stuttgart danach einzugehen bereit und in der Lage ist. Zumal wenn Vandalen, die nicht unter Kontrolle zu bringen sind, die Schutzmaßnahmen immer wieder aufs Neue torpedieren.
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