Harte Euros wichtiger als reine Luft?

Jetzt ist es offiziell: Die Container-LKWs können erst mal ungehindert weiter durch Hedelfingen auf die Fildern donnern. Und retour. Was sie eigentlich nicht dürfen. Von der seltenen Ausnahme abgesehen, dass sich jemand innerhalb der ausgeschilderten Umweltzone etwas per Überseecontainer liefern lässt. Dann wäre es Lieferverkehr und zugelassen. Solche Fälle gibt es, denn es befinden sich einige Gewerbegebiete innerhalb der Zone. Es spricht aber vieles dafür, dass die Hedelfinger mit ihrer Vermutung richtig liegen: Für etliche Containertransporte vom und zum Stuttgarter Hafen ist die Transitstrecke über Hedelfingen und die Filderauffahrt eben eine willkommene Abkürzung. Und dass im Logistikbereich Zeit Geld ist, ist eine Binsenweisheit. Doch nun ist der Versuch des Waldheimvereins Hedelfingen vorerst gescheitert, einen besonders auffälligen Spediteur gerichtlich zur Unterlassung von Containertransits zu zwingen. Eine Cannstatter Amtsrichterin erkennt zwar an, dass der Luftreinhalteplan im Interesse der Allgemeinheit auch die Hedelfinger vor Dieselgestank und gesundheitsgefährdenden Schadstoffen schützen soll. Doch juristisch durchsetzbar ist das ihrem Urteil nach so einfach nicht. Weil die „Allgemeinheit” ihre Interessen aber nach juristischem Ermessen nicht durch einzelne Bürger oder zum Beispiel Vereine verwirklichen kann, bleibt sie – die Allgemeinheit – auf ihrem Schutzinteresse sitzen. Und der Einzelne erst recht. Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass die Polizei die Einhaltung von Regeln kontrollieren kann, wenn nicht sogar soll. Ja, schreibt die Cannstatter Richterin in ihrer Urteilsbegründung. Aber wann, wie und wie oft, das liege im „Ermessen” der Polizei. Für die Hedelfinger Auffahrt liegt dieser Ermessensspielraum bislang bei Null. Denn dort finden, von einer Ausnahme 2019 abgesehen – die dem zuständigen Polizeirevier nicht einmal bekannt war – keine LKW-Kontrollen statt. Anders als zum Beispiel vor einigen Jahren an der Schemppstraße in Riedenberg für die Gegenrichtung zum Stuttgarter Hafen. Nachdem der Sillenbucher Bezirksbeirat das Thema beim damaligen Polizeirevierleiter Martin Rathgeb reklamiert hatte, rückte tatsächlich einige Male die Verkehrspolizei an und kontrollierte LKW-Fahrer. Inzwischen sind die Riedenberger Kontrollen zwar wieder eingeschlafen, aber es zeigt, dass es geht. Stichwort: Ermessen. Über allem schwebt aber auch noch der Verdacht, dass die Stadt Stuttgart gar kein Interesse an einer Unterbindung verbotswidriger LKW-Transporte vom und zum Hafen haben könnte. Schließlich ist der Stuttgarter Hafen eine wirtschaftende Beteiligungsgesellschaft der Landeshauptstadt. Und da geht es um harte Euros und nicht um reine Luft. Daher wird den Hedelfingern wohl eher eine politische Lösung helfen können als eine juristische. Aber die gibt es ja vielleicht trotzdem irgendwann, denn gegen das Cannstatter Urteil kann Berufung eingelegt werden.

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Hier können Sie den Bericht über das Cannstatter Gerichtsurteil lesen.