Kein Aprilscherz: Tempolimit falsch beschildert
Stuttgart-Riedenberg … An der Schemppstraße in Riedenberg wurden am 30. März auf wenigen hundert Metern sechs Schildermasten für ein begrenztes Tempolimit aufgestellt. Der Gesetzgeber sieht diese Möglichkeit vor. Hehres Ziel: die Kinder des evangelischen Kindergartens zu schützen. Deshalb darf man dort künftig nur noch mit Tempo 30 vorbeifahren – montags bis freitags von 7 bis 16 Uhr. Die Schilder sind aber fehlerhaft angebracht worden, was erst nach einer gestrigen Anfrage von WILIH auffiel. Deshalb werden sie morgen erst mal wieder abgeschraubt – und das ist kein Aprilscherz.
Drei Masten auf jeder Straßenseite, insgesamt 18 Schilder. So ist es geplant. Kostenpunkt: 4.500 Euro. Vom Augustinum beziehungsweise Sillenbucher Markt kommend sieht man das erste neue Tempolimit in der Kurve gegenüber dem Feuerwehrhaus. Auf Höhe der Emmauskirche steht im städtischen Pflanzbeet der zweite Schildermast. Danach kommt zwar kein Kindergarten mehr. Doch auch noch etwas vor und nach schützenswerten Einrichtungen – wie Kindergärten oder Schulen – sollen die Autofahrer langsamer fahren. Dies sei gewollt, schreibt die Stadt.
Schildermast Nummer drei folgt etwa hundert Meter weiter und hebt das Kindergarten-Tempolimit wieder auf. Skurril: Es wurde gerade mal acht Meter vor dem Schild aufgestellt, das ab der Einmündung der Melonenstraße die 30er Zone einläutet.
In der Gegenrichtung ist es noch extremer (Titelfoto oben): Da wird sage und schreibe drei Meter nach Beendigung der 30er Zone Tempo 30 wegen „Kindergarten” angeordnet. Neben beiden Schildermasten steht auch noch ein Fußgänger-Radfahrer-Schild. Was für ein unübersichtlicher Schilderwald!
Unmittelbar vor dem evangelischen Kindergarteneingang folgt Tempo 30-Anordnung Nummer zwei. Nur 40 Meter entfernt, vor der Ampel, steht Schilderbaum Nummer drei, der das Tempolimit aufhebt.
Da jetzt ein Teil der Tempo 30-Schilder von montags bis freitags von 7-16 Uhr gilt, ein Teil aber – mangels Zusatz – rund um die Uhr, ist die Verkehrsregel unklar. Wer ordnet so etwas an?
Der städtische Pressesprecher Martin Thronberens teilte heute nach Erkundigung in der zuständigen Abteilung mit, dass die Beschilderung wegen eines Lieferengpasses bei den Zusatzschildern für die Zeitspanne noch nicht komplett ist. Wahrscheinlich wären die Schilder erst nach Ostern lieferbar. Thronberens: „Um weitere Irritationen zu vermeiden, haben wir deshalb veranlasst, dass die derzeit vorhandenen Schilder morgen, Donnerstag, 1.4., wieder abgeschraubt werden.”
Die unmittelbare Folge von Tempo 30-Zone und Kindergarten-Tempo 30-Limit findet die Stadt übrigens auch „auffällig”. Die Begründung ist etwas holprig. Man wolle „den Aufmerksamkeitswert nicht verwässern”, heißt es zum einen. Zum anderen sei beabsichtigt gewesen, „die zeitliche Begrenzung dieser Regelung klarzustellen”.
Das Ganze hätte man auch einfacher haben können. Warum wurde die Tempo 30 Zone nicht einfach bis zum Feuerwehrhaus verlängert? Okay: Dann müsste man rund 200 Meter mehr mit Tempo 30 durch Riedenberg fahren – rund um die Uhr. Aber die Autofahrer hätten mehr Zeit, auf die Straße zu schauen, anstatt sich durch den Schilderwald zu kämpfen. Das käme in dem ohnehin reizüberfluteten Umfeld mit mehreren Straßeneinmündungen, Garagenein- und -ausfahrten, Briefkasten-Kurzparkern, Fußgängerüberweg, Kirche, Altglas- und Kleidercontainern, Gemeindehaus und Kindergarten nebst Parkplatz, Ampeln und Feuerwehrausfahrt der Verkehrssicherheit wahrscheinlich besser entgegen als die jetzige Schilderregelung.
Im Hedelfinger Bezirksbeirat hat eine ähnlich unsinnige Tempolimitierung im vorigen Jahr zu einem Antrag auf Unterlassung geführt (Bericht: hier). Im Zuge der für diesen Sommer zu erwartenden Beratungen über einen geplanten Kreisverkehr am Hedelfinger Platz wird das Thema im Bezirksbeirat wieder aufgegriffen. Zumindest bis dahin soll es beim Status quo bleiben.
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Schilda lässt grüßen!
„Das Ganze hätte man einfacher haben können.“ Wie wahr! Indem man die gesamte Schemppstraße zwischen Sillenbucher und Ortsende Riedenberg in die Tempo 30-Zone einbezogen hätte. Nicht neu, diese Forderung.
2010: der Sillenbucher Bezirksbeirat fordert mehrheitlich diese Maßnahme. Ablehnung seitens der Verwaltung.
2012: auf Anregung der SPD im Sillenbucher Bezirksbeirat stellte die SPD im Gemeinderat einen entsprechenden Antrag. Ablehnung
In der Folge gab es noch mehrere Anträge und Anfragen verschiedener Fraktionen im Bezirksbeirat. Die Verwaltung solle prüfen und Vorschläge erarbeiten, wie die Verkehrssituation in der Schemppstraße verbessert werden könnte. Reaktion des Amts für öffentliche Ordnung auf den letzten Antrag der CDU/SPD/FDP zur „Verkehrssituation Schemppstraße“: (Sie ahnen es?) Ablehnung. „Diese Stellungnahme zur derzeitigen verkehrlichen Situation der Schemppstraße ist von Seiten der Straßenverkehrsbehörde abschließend. Eine weitergehende Diskussion im Bezirksbeirat ist bei dieser Sachlage nicht zielführend, zumal die Straßenverkehrsbehörde allein den sicherheitlichen Aspekt des Verkehrs abdeckt.“ AföO, 29.10.2020).
Und dieser Aspekt für sich genommen ist eben zu wenig! Daher bestand der Bezirksbeirat darauf, dass VertreterInnen der Stadt (u.a. Stadtplanungsamt, Verkehrsplaner, Radbeauftragte) in eine der nächsten Sitzungen des Bezirksbeirats kommen um mit ihm Verbesserungsmöglichkeiten der Verkehrssituation in der Schemppstraße zu besprechen.
Angesichts des nun erfolgten Schilderstreichs hat man leider den Eindruck, dass eine Gesamtsicht unter Berücksichtigung aller Aspekte nicht stattfindet. Wir Bezirksbeirätinnen und -räte bleiben aber dran!
Ulrich Storz (Sprecher der SPD-Fraktion im Sillenbucher Bezirksbeirat)