LKW-Durchfahrtsverbot: Hedelfingen pocht auf sein Recht

Stuttgart-Hedelfingen … Über die ohnehin stark belastete Rohrackerstraße quälen sich tagtäglich auch jede Menge Sattelschlepper mit Containern, um über die Heumadener Straße und Hedelfinger Filderauffahrt zur Autobahn zu gelangen. Das ist aber verboten. Nur für Lieferverkehr wird eine Ausnahme gemacht. Jetzt regt sich Widerstand.

Seit März 2010 gilt für Stuttgart ein Durchfahrtsverbot für Lastkraftwagen (LKW) mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen (siehe: hier). Doch in Hedelfingen hat man den Eindruck, dass sich daran kaum ein Trucker hält. Thematisiert hat dies Michael Wießmeyer beim öffentlichen Diskussionsabend am 15. Februar im Hedelfinger Waldheim (WILIH 27.2.2019). Damals ging es um die Zukunft des Hafens, der zum Stadtbezirk Hedelfingen gehört. Eingeladen hatte der Hedelfinger Bezirksbeirat.

Immer weiter ins kritische Thema eingedrungen

Diesen Ball hat Paul Wurm aufgenommen. Am 13. März schrieb der Vorsitzende des Hedelfinger Waldheimvereins an Hafen-Chef Carsten Strähle und konfrontierte ihn mit seinen Beobachtungen. Tags drauf begann Wurm mit akribischen Erfassungen aller LKW-Durchfahrten, die ihm nicht plausibel vorkamen. Er schrieb eine eMail nach der anderen an die betroffenen Speditionen. In der Regel sind deren Internetadressen von Weitem sichtbar auf den Fahrzeugen zu lesen. Paul Wurm dokumentierte die Durchfahrten mit Fotos, auf denen die LKW-Kennzeichen zu sehen sind. Wurm weist in seinen freundlichen und sachlichen Mails stets auf die Belastung der Filderauffahrt durch LKW-Schwerverkehr hin und informiert über das Problem: „Der vorgeschriebene Weg über die B10/B313/A8 wird nicht benutzt.“ Diese Anordnung ist an vielen Stellen im Stadtgebiet ausgeschildert, so zum Beispiel an der B10 bei Hedelfingen.

Parallel dazu nahm der Vereinsvorsitzende am 18. März Kontakt mit Birgit Wöhrle von der Straßenverkehrsbehörde der Stadt Stuttgart auf. Ziel war zunächst, den Unterschied zwischen erlaubtem und unzulässigem Lieferverkehr durch Hedelfingen zu definieren. In der Folge intensivierte sich Wurms Mailkorrespondenz mit der Stadtverwaltung und führte zu immer weiterführenden Erläuterungen und Absichtserklärungen. So stellte ihm Renate Renz von der Bußgeldstelle im Amt für öffentliche Ordnung die Einleitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen unerlaubte Durchfahrer in Aussicht. Wurm könne bei Verfahren dann als Zeuge hinzugezogen werden, schrieb Renz.

Alle Register gezogen, Rechte werden geprüft

Paul Wurm ging der Sache weiter auf den Grund. Am 22. März fuhr er von Hedelfingen aus sogar einem LKW mit Stuttgarter Kennzeichen hinterher und landete in Leinfelden-Echterdingen, wo er den russischen Fahrer zur Rede stellte. Für Wurm war der Fall klar: Der gewählten Route lag eindeutig eine Missachtung des seit mehr als neun Jahren bestehenden Durchfahrtverbots zugrunde. Bei seinen zahlreichen Mailkontakten mit Spediteuren sowie im Zuge seiner immer tiefer in die Materie eindringenden Anfragen an die Stadtverwaltung wuchs bei dem Hedelfinger Vereinschef die Überzeugung: Das Verbot wird gar nicht oder zumindest nicht wirkungsvoll kontrolliert.

Deshalb zog Wurm immer weitere Register, schrieb eine „Gelbe Karte“ an OB Fritz Kuhn und informierte nach und nach den Hedelfinger Bezirksvorsteher Kai Freier, Hedelfinger Bezirksbeiräte, Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) – der sich aber postwendend als unzuständig erklären ließ –, die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Lösch – die an die grüne Fraktion im Gemeinderat verwies –, die Presse und schließlich Roland Kugler. Der Stuttgarter Rechtsanwalt hatte das Land Baden-Württemberg in einen Vergleich gezwungen, nach dem die Verkehrsmengen am Neckartor zu reduzieren sind. Mit Kugler hatte Paul Wurm am 18. Juni ein längeres Gespräch. Der Waldheimverein hat seine Anliegerinteressen an der stark von vermeintlich unzulässigem LKW-Durchfahrverkehr belasteten Hedelfinger Filderauffahrt von ihm juristisch prüfen lassen. Kugler hat inzwischen in einem Schreiben an Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Martin Schairer um verwaltungsinterne Klarstellung und darum gebeten, für die Durchsetzung des Fahrverbots zu sorgen. Damit sieht sich der Verein als Interessenvertreter des gesamten Stadtbezirks. Weil die Dimension des Problems aber weit über Hedelfingen hinausgeht – auch Heumaden, Sillenbuch, Riedenberg sowie angrenzende Stadteile und die Stadt Ostfildern sind von illegalen Hedelfingen-Durchfahrern betroffen –, hat Paul Wurm am 9. Juni zudem Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), angeschrieben; eine Antwort stand bei Redaktionsschluss des WILIH vom 3.7.2019 noch aus.

Ämter streichen die Segel, Bezirksbeirat unterstützt

Was den Hedelfinger Luftreinhalte-Aktivisten besonders frustriert, ist die mauernde Haltung der Behörden. Durch sein Mail-Bombardement konnte Paul Wurm zwar erreichen, dass sich Bußgeldstelle und Verkehrspolizei zunehmend mit dem Thema beschäftigen. Letztere hatte im Jahr 2018 eine Reihe von Verkehrskontrollen durchgeführt, allerdings nicht an der Hedelfinger Filderauffahrt, sondern schwerpunktmäßig an der anderen Streckenrichtung, beispielsweise seit Herbst 2017 eine Zeit lang immer wieder an der Schemppstraße in Riedenberg (WILIH 27.9.2017). Dort fand just am vergangenen Donnerstag (27.6.2019) mal wieder eine Durchfahrtskontrolle statt, diesmal durch Polizisten des Reviers Möhringen – Zufall? Eine Kontrollwirkung verspürt Paul Wurm in Hedelfingen jedenfalls nicht. Inzwischen haben die ursprünglichen Sachbearbeiter die Segel gestrichen. In einer Mail vom 14. Mai an Wurm hieß es, die Bußgeldstelle brauche noch weitere Zeit zur Prüfung. Am 2. Juni teilte Renate Renz dann mit, dass Wurms Anzeigen nicht mehr verfolgt werden könnten. Der Vorgang, so Renz weiter, werde auf eine höhere Ebene verlagert – Ende offen.

Am 25. Juni stand das Thema auch auf der Tagesordnung des Hedelfinger Bezirksbeirates. Auslöser war ein Antrag der SPD-Fraktion, der auf ein generelles Durchfahrverbot für LKWs ab einem zulässigen Gesamtgewicht von zwölf Tonnen abzielt. Die anderen Fraktionen unterstützen dies, wie natürlich auch die Durchsetzung des bestehenden Verbots. Zusätzlich beantragte die CDU, dass die Stadtverwaltung prüfen möge, wie sich jeglicher überörtliche Verkehr aus Hedelfingen raushalten lässt. Beide Anträge wurden einstimmig verabschiedet.

Paul Wurm sucht Mitstreiter in Nachbarstadtteilen

Paul Wurm möchte nun die Verkehrswege der Hedelfingen-Durchfahrer noch genauer analysieren. Dafür bittet er interessierte Bürger in Heumaden, Sillenbuch, Riedenberg, Kemnat und Ruit um Mithilfe. Denn: In diesen Stadtteilen kommen die illegalen Hedelfingen-Durchfahrer an und fahren anschließend verbotenerweise auch durch deren Ortskerne. Wer sich vorstellen könnte, gelegentlich nach Absprache mit Paul Wurm LKW-Durchfahrten zu dokumentieren und auf freiwilliger Basis an einem Konzept für mehr Luftreinhaltung in den betroffenen Stadtteilen mitzuwirken, darf sich gerne via eMail mit ihm in Verbindung setzen (paulwurm@me.com).

Sie haben etwas zum Thema zu sagen? Bitte schreiben Sie an leserbrief@wilih.de.

Foto: An den Otto-Hirsch-Brücken signalisiert ein Schild, dass Lieferverkehr zulässig ist. Aber: Sollte ein solches Verkehrszeichen nicht auch schon vor der B10-Ausfahrt stehen?

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