Sonnenschirm und Klappstuhl – Urlaub vorm Bürgerbüro

Ein Stuttgarter Bürgerbüro ist anno 2022 nur echt mit einer Warteschlange davor. Wer einen Personalausweis braucht oder seinen alten „Lappen” gegen einen neuen „Kartenführerschein” eintauschen möchte, nimmt sich am besten ein paar Tage Urlaub. Das Warten nach dem Ziehen einer Nummer kann nämlich zur Geduldsprobe werden. Mitunter sollen Bürger auch schon unverrichteter Dinge wieder heimgeschickt worden sein, weil das Bürgerbüro seine Pforten geschlossen hat, bevor alle Nummern – äh, Bürger mit einer Nummer – bedient werden konnten. Da die Zustände immer abenteuerlicher geworden sind, hat der Oberbürgermeister jetzt eine „Task Force” gegründet, die für Besserung sorgen soll. Darin sitzen „Entscheidungsträger aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen” sowie drei Bürgermeister, die es bisher nicht geschafft haben, aus ihren Fachbereichen heraus die Bürgerbüros so zu organisieren, dass sie funktionieren. Das macht ja Hoffnung!? Immerhin gehört dem neuen Arbeitskreis auch eine Mitarbeiterin eines Stuttgarter Bürgerbüros an, „welche die Herausforderungen aus ihrer täglichen Arbeit kennt”. Das lässt darauf hoffen, dass eine gewisse Innensicht auf die Probleme den Blick für dringend notwendige Lösungen schärft. Jetzt tagte die neue „Task Force” ein erstes Mal. Wer schnelle Besserung erwartet, wird in einer Pressemitteilung aber vieler Illusionen beraubt. Um der offensichtlich übergroßen Personalnot zu begegnen, so ist zu lesen, solle ein „Einarbeitungs- und Ausbildungsbürgerbüro” eingerichtet werden. Wann? Morgen? Nächste Woche? Nein: zum 1. Dezember. „Jeweils fünf neue Kolleginnen und Kollegen” sollen dort in die Tätigkeit eingewiesen werden, und zwar schnell – „innerhalb von drei bis sechs Monaten”. Na, da gründet man vielleicht besser in der eigenen Familie auch eine „Task Force” und schaut gleich mal nach, wann die Ausweise ablaufen – aber pronto. Freuen dürfen sich die Teams der Bezirksämter, denn sie dürfen von ihren Bürgerbürokollegen so verantwortungsvolle Tätigkeiten wie den „Verkauf von Müllsäcken und Grüngutsäcken” übernehmen. Vorerst befristet für ein Jahr. Aber wer weiß, ob das nicht verlängert wird, wenn sie diesen Job gut machen? Wenigstens macht das für die Bürger keinen Unterschied, denn die Säcke gibt es nur ein paar Türen weiter im selben Bezirksrathaus. Und die Reise dorthin soll sich demnächst noch mehr lohnen. Denn: Das Warten wird erleichtert. Es wurde nämlich beschlossen, „in” – gemeint ist wohl eher „vor” – allen Bürgerbüros Klappstühle, Sonnenschirme und Wasser anzubieten. Rätselhefte auszugeben, wäre vielleicht auch noch eine Idee. Noch wichtiger dürften schon sehr bald Wolldecken und heißer Tee werden. Nur so als Tipp für die nächste Planungsrunde der „Task Force”.

Rundgeschaut11. August 2022 … Die wöchentliche WILIH-Kolumne