Tallängsachse – Zukunftsmusik der Stadtentwicklung

Stuttgart-Hedelfingen/Wangen, [post_published] … Die Stuttgarter Stadtplaner nehmen sich die „Tallängsachse” vor. Entlang des Neckars und in der Verknüpfung der Stadtbezirke Ost, Wangen und Hedelfingen sehen sie einen „produktiven Stadtraum”. In zwei mit Hochschulunterstützung betriebenen Entwicklungsprojekten wurden fünf „Vertiefungsräume” identifiziert, die laut Stadt weiter „vertieft” werden sollen – drei in Wangen und je einer in Stuttgart-Ost und in Hedelfingen. Jetzt wurde das Entwicklungskonzept in den betroffenen Bezirksbeiräten vorgestellt. In einer digitalen Konferenz sollen demnächst private Gebäude- und Grundstückseigentümer informiert werden. Denn von deren Interesse hängt ab, was aus dem Konzept werden kann, das der Gemeinderat Ende November verabschieden wird.

Eine Vielfalt von Ideen in einem Konzept zu bündeln, kommt bei Lokalpolitikern immer gut an. Insoweit war die Resonanz in den Bezirksbeiräten Hedelfingen (15.11.2022) und Wangen (21.11.2022) – wie nicht anders zu erwarten – im Grundsatz positiv. Im Detail gab es dann aber doch einige Bedenken und Kritik, was jedoch der von der Stadt gewünschten zustimmenden Kenntnisnahme in beiden Stadtbezirksparlamenten nicht im Wege stand.

Turn- und Versammlungshalle, Nill und Lidl als Wettbewerbsfeld

Zeitlich einigermaßen konkret vorstellbar ist in erster Linie ein Entwicklungskonzept für das Quartier „Mitte West” an der südlichen Hedelfinger Straße in Hedelfingen. Hierfür hat die Stadt im Zusammenhang mit dem beschlossenen Neubau ihrer Hedelfinger Turn- und Versammlungshalle nun einen städtebaulichen Wettbewerb vorgeschlagen, der auch das Nill-Areal sowie die riesige Lidl-Fläche mit in den Blick nehmen soll. Bei Lidl steht die Stadt allerdings seit Jahren auf der Bremse.

Auch noch ziemlich nah an einer Umsetzung dürfte der angeregte „Freizeit- und Bewegungsraum” an der Wasenstraße und Gingener Straße im Bereich des Wangener Jugendhauses B10 sein. Unter der Federführung des Stuttgarter Garten-, Friedhofs- und Fortsamts soll hier ein eigenständiges Projekt auf die Beine gestellt werden.

Alles andere ist noch Zukunftsmusik. Die Stadtplaner sprechen von einem „Chancenraum” am Neckar, ohne jedoch den Fluss explizit ins Visier zu nehmen. Das versteht nicht jeder.

Kreativität und Kultur am Eingang von Wangen?

Für ein „Entrée zum MarktQuartier” zwischen Schlachthof und Brendle-Kreuzung gibt es neben der Bilanzierung vorhandener „Betriebe im Bereich der Ernährung und Versorgung” noch nichts Habhaftes. Als Ziel wird eine „Aufwertung des Images” genannt. Als zielführend werden Diskussionen, Gespräche und Werkstattverfahren vermutet.

Ähnlich wolkig sind Ausführungen zur Gleistrasse vom Kraftwerk bis zum Gaskessel. In schönstem Stadtplanerdeutsch wird über eine „neue attraktive Wegeachse mit Vernetzungsptenzial als ‘Highline‘”  sowie die Entstehung einer „neuen Schauseite” spekuliert. Die Idee soll „weiter untersucht und konkretisiert werden”.

Auf der Wunschliste der Stadt ganz oben steht ein „Kreativ- und KulturQuartier Am Viehwasen”. Aus Planersicht ist die Lage rund um Aldi und Stuttgart 21-Zwischenangriff „strategisch bedeutsam” und verfügt über größtes „Flächen- und Gestaltungspotenzial”. Hier wird Bezug genommen auf das Nachhaltige Bauflächenmanagement Stuttgart („Innenentwicklung vor Außenentwicklung”). Es geht allerdings noch nicht konkret um Bauflächen, sondern abstrakt um Potenziale. Entsprechend sollen hier auch erst einmal die Standortanalyse und Planung „vertieft” werden. Sicher ein springender Punkt dabei ist die als notwendig erkannte „Beteiligung der Eigentümerschaft”. Denn: Zwingen kann man niemanden zur Entwicklung seines Grundstücks.

Dann bleibt schließlich noch ein mögliches „Innovationsquartier” beim Kodak-Areal sowie an der Kesselstraße in Wangen. Dazu sei ein städtebaulicher Wettbewerb in Vorbereitung, heißt es in der städtischen Gemeinderatsdrucksache 479/2022. Der Planungsbereich ist riesig und erstreckt sich vom Autohof über OBI, Kodak und Sony bis hin zur SportKultur Stuttgart. Die Vielfalt unterschiedlicher Nutzungen zu strukturieren und letztlich die Aufenthaltsqualität des Bereichs entlang der Hedelfinger Straße zu erhöhen, sind wesentliche Ziele der Stadtplanung.

Herkulesaufgabe mit hehrem Ziel

Was den Planern gut gelungen ist: Sie zeigen für den großen Bereich vom Stuttgarter Osten bis nach Hedelfingen auf, wie vielfältig er genutzt wird – vor allem durch Gewerbebetriebe – und welche Chancen er bietet. Die Stadtbezirke entlang einer „Tallängsachse” zu vernetzen und dabei charakterstarke Quartiere zu schaffen, ist eine Herkulesaufgabe – allerdings mit dem hehren Ziel, diesen großen Stadtraum auch für diejenigen, die dort wohnen, attraktiver zu machen. Allerdings sind dafür viele Akteure ins Boot zu holen. Vor allem private Grundbesitzer und Investoren gilt es zu begeistern. Das wird einen langen Atem erfordern.

Das Archivfoto oben zeigt einen Blick vom Hedelfinger Ortsausgang über Wangen bis zum Stuttgarter Osten.


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