Was wäre, wenn… Eduard Mörike heute leben würde?
Wer Auswendiglernen und Gedichtinterpretationen schon zu Schulzeiten gehasst hat, muss jetzt ganz stark sein. Wir erinnern nämlich aus jahreszeitlich gegebenem Anlass an Eduard Mörike. Dem schwäbischen Dichter (1804-75) verdanken wir eines der bekanntesten Frühlingsgedichte. Und das geht so: Frühling läßt sein blaues Band – wieder flattern durch die Lüfte. Süße, wohlbekannte Düfte – streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon – wollen balde kommen. Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist’s! Dich hab ich vernommen! Fertig. So weit, so schön. Aber nicht mehr zeitgemäß. Der herannahende Frühling sorgt nämlich allerorten für einen Großauftrieb der Hausmeister und Stadtgärtner, deren Aufgabe es ist, in (Achtung, Wortspiel!) Windeseile für Ordnung auf Gehwegen und in Beeten zu sorgen. Und dafür benutzt der Dienstleister des einundzwanzigsten Jahrhunderts einen Laubbläser. Dürfte Eduard Mörike jetzt leben, dann würde er vielleicht folgende Verse twittern: Frühling läßt sein‘ blauen Dunst – wieder knattern durch die Lüfte. Strenge, wohl verdammte „Düfte” – stäuben abgastoll durchs Land. Veilchen träumen schlecht – wollen nimmer kommen. Horch, was für ein schriller Motorton! Stinker, der Du bist! Bitte tu‘ verstummen!
Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne