Weitblick oder Aussicht – wohin mit unserem Geld?
Der Bund der Steuerzahler ist erneut im WILIH-Land fündig geworden. Für sein neues Schwarzbuch hat er den Heumadener „Apfelkernturm” aufs Korn genommen (Bericht: hier). Zwar geht er noch von knappen 600.000 Euro aus, die der Aussichtsturm oberhalb der Schwende kosten soll. In Wahrheit nähert sich das Projekt angesichts drastischer Material- und Lohnkostensteigerungen wohl zügig der Million. Das ist einerseits gegenüber zum Beispiel 80 Millionen Euro für einen Gymnasiumsneu- und -erweiterungsbau in wenigen hundert Luftlinienmetern Entfernung nur ein Nasenwasser. Andererseits prangern die Steuerzahlervertreter keineswegs zu Unrecht an, dass es sich hierbei um ein Projekt der Art handelt, die Stuttgarts ehemaliger Verwaltungsbürgermeister Werner Wölfle gerne als „nice to have” bezeichnete. Zugegeben: Der Aussichtsturm sieht schick aus, er ist ja auch von namhaften Planern entworfen worden. Und ja: Ein Turm oberhalb der Schwende mag reizvolle Blicke zu den Höhen oberhalb des Neckartals auf der einen und über die Filderebene auf der anderen Seite gestatten. Dabei überragt das Balkönchen des geplanten 13 Meter-Holzturms, von dem aus man freien Blickes die Landschaft genießen können soll, gerade mal sieben Meter das Straßenniveau. Höher als eine Leiter, zweifellos. Aber nun auch nicht so überragend wie der gute drei Kilometer entfernte Fernsehturm. Immerhin: Die Fildern kann man sicher auch bei vorbeifahrender Stadtbahn erblicken. Oder zumindest ein paar Flugzeuge beim Landeanflug auf den Stuttgarter Flughafen erblicken. Doch – Stichwort „nice to have” – ist dafür ein teurer Aussichtsturm nicht wirklich nötig. Zumindest nicht in Zeiten knapper Kassen und finanzieller Unwägbarkeiten, wie sie die Coronakrise den öffentlichen Haushalten zur Zeit beschert. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt der Stuttgarter Gemeinderat entscheiden muss, ob er den Turm mitfinanzieren will. Denn: Ausgerechnet in den nächsten Wochen wird der Haushalt für die Landeshauptstadt aufgestellt – und das, wie in Stuttgart üblich, gleich für zwei Jahre. Also: Spricht sich jetzt nicht eine Mehrheit des Stadtparlaments für den „Apfelkernturm” aus, dann kommt er mindestens die nächsten zwei Jahre nicht – wenn überhaupt. Und genau hier setzt der Bund der Steuerzahler an und appelliert an den Gemeinderat, das Projekt fallen zu lassen. Auch wenn dies dazu führen könnte, dass der Kommunale Arbeitskreis Filder sowie der Regionalverband Stuttgart ihre Förderzusagen vielleicht nicht auf Eis legen, sondern zurückziehen würden – eines sollte man bei der Diskussion um dieses und ähnliche Projekte nie außer Acht lassen: Bezahlt wird so etwas mit „Steuergeldern”, also aus den Geldbeuteln von uns allen. Auch wenn scheinbar das Geld „von der Stadt” oder „von der Region” oder aus irgendeinem anderen anonymen Tresor zu kommen scheint, wir können es nur einmal ausgeben. Diese Binsenweisheit mag phrasenschweinverdächtig klingen, führt aber schlicht zu der Wahrheit, dass ausgegebenes Geld nicht mehr für andere Projekte zur Verfügung steht. Und derer gibt es gerade in dieser Zeit eine ganze Menge – man denke nur an zahlreiche auf die lange Bank geschobene Infrastrukturinvestitionen, von der schlaglochübersäten Straße bis zum dringend energetisch zu sanierenden Schulgebäude. Vom Digitalisierungsstau oder Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung ganz zu schweigen. Eine Frage von Prioritäten also. Daher wird interessant zu beobachten sein, was dem Stuttgarter Gemeinderat wichtiger ist – Weitblick oder Aussicht.
Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne