Wer vertritt die Allgemeinheit?

Ein einzelner Bürger oder ein Verein hat keinen Anspruch, ein Schutzinteresse der Allgemeinheit zu vertreten. Auf diese Formel lässt sich die Argumentation einer Amtsrichterin komprimieren, die eine Klage des Hedelfinger Waldheimvereins und eines Anwohners gegen einen Spediteur wegen Unterlassung von Fahrten durch die LKW-Verbotszone in Hedelfingen auf dem Tisch hat. Die Argumentationskette der Kläger: Gesundheitsschutz, Luftreinhalteplan, LKW-Durchfahrtsverbot. Doch wer ist die Allgemeinheit? Was unterscheidet die Gesellschaft als Ganzes von der Summe ihrer Bürger? Und wer darf deren Interessen wahrnehmen? Vielleicht „Frau Merkel” oder „der Oberbürgermeister”, worüber die Richterin – wahrscheinlich nicht ganz im Ernst – laut nachdachte. Oder bedarf es dazu eines gewählten Parlaments von Volksvertretern? In diesem Falle könnte das der Stuttgarter Gemeinderat sein. Angeregt vielleicht durch ein beratendes Gremium wie den Hedelfinger Bezirksbeirat? Mit einer Initialzündung durch den Bezirksvorsteher, wie es die Richterin – diesmal in vollem Ernst – anregte? Am Beispiel eines Luftreinhalteplans für eine Großstadt wie Stuttgart wird erkennbar, wie anspruchsvoll es ist, im Hinblick auf Schutzinteressen zu differenzieren. Wenn eine Schutzzone für die ganze Stadt gilt, muss der Schutzzweck – beispielsweise die Luftreinhaltung – noch lange nicht jeden Einwohner der betroffenen Stadt gleichermaßen interessieren. So dürften den Hausbesitzer an der Bracke in Feuerbach die Containertransporte durch Hedelfingen vermutlich kaum umtreiben. Aber nur mit ihm – und allen anderen (?) Zonen-Bewohnern mit demselben definierten Schutzzweck – im Boot sollen die Hedelfinger ihren Anspruch geltend machen können? Auf diese Frage ist wohl nicht allein juristisch zu antworten.

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