Wie lange in Hedelfingen schon Kirbe gefeiert wird

Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Fotos
Hans-Peter Seiler (links) und Michael Wießmeyer finden in alten Fotos und Schriften immer wieder neue Geschichten

Lebendige Ortsgeschichte (Folge 1).  Historisches aus und über Hedelfingen – unterhaltsam erklärt von Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer, [post_published] … Über Hedelfingen gibt es viel zu erzählen. Besonders gut und gerne tun dies der ehemalige Hedelfinger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler und Hedelfingens Ortshistoriker Michael Wießmeyer. Seit Jahren begeistern die beiden Hedelfingen-Fans bei Vorträgen und Führungen ein stetig wachsendes Publikum mit ihren Geschichten über die Geschichte des vor hundert Jahren von Stuttgart eingemeindeten Neckarvororts. WILIH startet hier eine Serie mit vielen interessanten Blicken auf die Historie Hedelfingens. In loser Folge wollen die Geschichten-über-Geschichte-Erzähler Seiler und Wießmeyer an dieser Stelle Lust auf Hedelfingen machen. Aus aktuellem Anlass startet die Serie mit einem Beitrag über die Hedelfinger Kirbe.

Auftanzen des Riesentraubens – Wie lange in Hedelfingen schon Kirbe gefeiert wird

Den Hedelfinger Jahrmarkt gibt es seit 1872. Er wird von der Stadt Stuttgart in § 11 der Eingemeindungs-Vereinbarung garantiert. Die Kirbe ist in Hedelfingen nach wie vor ein großes Fest, immer am ersten Dienstag im September und dem Sonntag davor. Die Märkte Stuttgart (früher „Marktamt”) veranstalten einen der größten Krämermärkte Stuttgarts in den historischen Straßen rund um das Hedelfinger Bezirksrathaus. Der jeweilige Kirbejahrgang „tanzt” den rund 130 kg schweren Riesentrauben in der Kelter „auf”. Dieses Jahr jährt sich der Brauch zum 150. Mal.

Hedelfinger Kirbejahrgang 1893 bei der Kirbe 1912
Der Kirbejahrgang 1893 bei der Kirbe 1912

Der Kirbejahrgang setzt sich zusammen aus den 20-jährigen jungen Frauen und Männern. Eigentlich sind diese zusammen in die Grundschule gegangen und in Hedelfingen wohnhaft gewesen. Heute ist es schwierig, diese Jahrgängler zusammenzutrommeln. In der Regel sind sie in alle Winde zerstreut. Weiterführende Schulen, Studium, Wegzug, veränderte Lebensgewohnheiten durch unsere mobile Gesellschaft machen es schwer, den Jahrgang zusammenzuschweißen. Der Datenschutz erschwert das Auffinden der ehemaligen Grundschüler. 

Kirbejahrgang 1930 bei Kirbeumzug 1950
Der Kirbejahrgang 1930 beim Umzug 1950

Die männlichen Jahrgängler wurden früher nach der Kirbe zum Militärdienst berufen. Somit war in der Vergangenheit die Kirbe das letzte Fest vor dieser Verpflichtung. Ausgiebiges Feiern war einerseits die Devise. Anderseits wollten die Jahrgängler ein Fest mit der Bevölkerung feiern. Dazu gehörte das Binden des Riesentraubens, der Tanzabend mit einer Musikkapelle, der sonntägliche Auftanz des Riesentraubens über dem Keltereingang und am Dienstag der Krämermarkt.

Echte Hedelfinger/innen treffen sich an diesem Tag auf der Gass‘, also im Freien auf der Straße. Zugezogene, hier Geborene, Weggezogene, einfach alle kommen zurück, um sich zu treffen, zu reden und den Tag zu genießen. Am Mittwoch davor rufen die Jahrgängler die Kirbe im ganzen Ort aus, um am Mittwoch danach die Kirbe zu beerdigen. Ein Trauerzug bewegt sich dann durch Hedelfingen, und ein Schluchzen und Jammern ist zu hören. Diese Tradition wird bewahrt und gepflegt. Und das seit 150 Jahren!

Das Beitragsfoto oben zeigt den Jahrgang 1940 beim Umzug der Hedelfinger Kirbe 1959.

WILIH dankt Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer für diese Geschichte. Die historischen Fotos stammen aus dem Fundus des Alten Hauses Hedelfingen.

Nächstes Thema dieser Serie: Monopoly am Neckar – Wie Hedelfingen zu Stuttgart kam

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