Besser miteinander reden als übereinander

Das Einfache ist manchmal das Schwierigere. Und hinterher ist man bekanntlich immer klüger. Hätte man im Stuttgarter Rathaus geahnt, welchen Wirbel die Idee auslöst, das alte Wangener Straßenreinigungsdepot zu einem großen Müllwagen-Betriebshof umzubauen, dann hätten sich viel Zeit, Energie und Geld sparen lassen. Inzwischen liegt die Baugenehmigung vor, und mit dem Bau wurde begonnen. Die Wangener Bürger, die gegen das Projekt auf die Barrikaden gegangen waren und sogar eine Petition im Landtag nicht scheuten, haben viel Hirnschmalz verbraucht und sich die Finger wundgeschrieben. Jahre später lenkt der städtische Abfallbetrieb nun endlich ein und sucht den Dialog mit den Bürgern. Kann der Blutdruck jetzt heruntergefahren werden? Ersten Eindrücken zufolge ist erst mal Entspannung angesagt. Der neue AWS-Geschäftsführer hat die Chance, mit dem Ärger, den sein inzwischen pensionierter Amtsvorgänger zumindest in Kauf genommen hat, nichts zu tun zu haben, fürs Erste ganz gut genutzt. Offen und ehrlich wollte er wirken. Das haben ihm die Wangener beim Dialogabend wohl abgenommen. Am Ende ließen sich zwischen den Zeilen sogar einige Vorschusslorbeeren heraushören. Dass weit weniger Bürger in die örtliche Sporthalle kamen, um den Abend mit dem Chef des stadteigenen Abfallunternehmens zu verbringen, ist aber wohl kaum aufs Fernsehprogramm zu schieben – so toll war das nicht. Und auch Ukraine oder Corona zogen an dem fraglichen Abend keine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Vielmehr mag die doch etwas enttäuschende Beteiligung vielleicht ein Zeichen dafür sein, dass sich die Menschen halt vor allem für das interessieren, was sich unmittelbar vor ihrer Haustüre abspielt. Vielleicht sogar nur für das dahinter. Einen Denkanstoß dazu liefert in diesen Tagen eine neue Bertelsmann-Studie. Dort heißt es: „Im Sommer des ersten Pandemiejahres sind gerade einmal 21 Prozent der Befragten der Meinung, die meisten Leute kümmerten sich in Wirklichkeit gar nicht darum, was mit ihren Mitmenschen geschieht. … Im Jahr 2022 ist davon wenig geblieben. Jetzt sind 59 Prozent der Meinung, die Menschen würden sich nicht umeinander kümmern, und 28 Prozent sagen, man könne sich auf niemanden verlassen. Beide Werte liegen erheblich höher als vor der Pandemie.” Viel spricht demnach dafür, dass jetzt viele daheim geblieben sind, weil ihnen Lärm und Dreck der Baustelle oder die künftigen Auswirkungen des Müllabfuhrbetriebs doch nicht so wichtig sind wie vermutet. Das läge jedenfalls im Trend und wäre kein Zeichen für eine spezielle Wangener Müdigkeit. Trotzdem war und ist es gut, miteinander zu reden. Und nicht nur übereinander. Dem Endergebnis kann das nur zuträglich sein. Ein Anfang ist gemacht. Jetzt muss sich zeigen, was die Dialogangebote des Bauherrn wert sind. Und ob die Bürger sie nutzen wollen.

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