Hunde werden zu Wilderern – Jäger schlagen Alarm
Stuttgart-Hedelfingen … Es gibt zunehmend Probleme mit Rehrissen durch wildernde Hunde. Insbesondere von Jagdpächtern sind vermehrt Klagen über Hundebesitzer zu hören, die ihre Hunde in wohnortnahen Waldgebieten ohne Leine „springen” lassen und nicht die möglichen Konsequenzen bedenken. Dreieinhalb Monate hat die Stadt Stuttgart über eine Anfrage von WILIH nachgedacht. Jetzt liegt eine Stellungnahme vor. Unabhängig davon soll am 17. September in der Sitzung des Bezirksbeirats Hedelfingen darüber beraten werden.
Jäger treffen auf beratungsresistente Hundebesitzer
Jagdpächter beklagen neben gerissenen Rehkitzen (Foto oben: Peter Bachmann) auch durch Hundekot kontaminierte Wiesen sowie nach Kontakten mit Hund oder Mensch von Geißen gemiedene und damit dem Tod geweihte Rehkitze. Meistens wird Unkenntnis von Hundebesitzern als Grund für deren Fehlverhalten bei Spaziergängen mit Hunden in der Natur angenommen. Aber auch Beratungsresisitenz von Hundebesitzern wird immer wieder kritisiert. Teilweise müssen Jagdpächter bei persönlichen Gesprächen sogar mit Widerstand rechnen.
Das Thema ist nicht neu und kommt alle paar Jahre wieder zum Vorschein. Auch WILIH hat schon öfters darüber geschrieben – insbesondere über sorgenvolle Berichte aus Hedelfingen und Wangen. Jagdgebiete gibt es im WILIH-Land darüber hinaus auch in Rohracker, am Frauenkopf sowie im Stadtbezirk Sillenbuch. Dort ist die Lage wohl ähnlich.
Jagdpächter wie der Hedelfinger Peter Bachmann fordern deshalb alle Hundebeitzer dazu auf, im Wald, auf Feldern und in Parks unbedingt mit ihren Hunden auf den Wegen zu bleiben. Auf keinen Fall solle man seinen Hund ins hohe Gras laufen lassen. Grund: Ein Rehkitz, das mit Hund oder Mensch in Berührung gekommen sei, werde von seiner Mutter – der Geiß – gemieden. Viele Hundebesitzer wüssten nicht, dass das der sichere Tod des Jungtiers sei, warnt Bachmann. Deshalb denkt der routinierte Jäger neben besserer Aufklärung auch laut über Leinenzwang und Maulkorbpflicht sowie eine DNA-Pflicht für Hunde nach.
Was kann man tun, um Hundebesitzer besser zu informieren?
Die Stadt Stuttgart weist auf ihre Information der Hundebesitzer hin: Das Steueramt lege jeder Neuanmeldung eines Hundes den Flyer „Für ein rücksichtsvolles Miteinander” bei, schreibt Johanna Salver. „Insofern werden neue Hundebesitzer auf bestehende Regelungen hingewiesen und zu einem rücksichtsvollen Umgang motiviert”, hofft die Stadtsprecherin. Darin erführen sie zum Beispiel auch, was bei landwirtschaftlich genutzten Grün- und Ackerflächen zu beachten sei.
Die Stadt erinnert auch an ein weiteres Informationsmedium – Schilder. Johanna Salver: „In manchen Wäldern und Gebieten, beispielsweise in Naturschutzgebieten sind häufig entsprechende Hinweisschilder vorhanden. Leider zeigt die Erfahrung, dass sich viele Hundebesitzer nicht daran halten – vergleichbar mit der Beschilderung im Straßenverkehr.”
Was kann man tun, um Hunde von Wildtieren fernzuhalten?
Von Jäger-Seite werden gerade wegen Verstößen gegen Naturschutzhinweise auch immer wieder drastische Maßnahmen ins Gespräch gebracht, allen voran Leinen- oder Maulkorbpflicht. Ist das realistisch und durchzusetzen? Stadtsprecherin Salver schreibt: „Es besteht sowohl in Baden-Württemberg als auch im Stadtgebiet Stuttgart keine generelle Leinenpflicht. Auch eine generelle Maulkorbpflicht kann nicht angeordnet werden.”
So bleibt vielerorts eben nur die Hoffnung auf die Erziehung des Hundes und dessen wirksame Überwachung durch den Hundehalter. Doch wenn Herrchen oder Frauchen ihren Hund einfach laufen ließen oder ihm an einer langen Schleppleine zu viel Spielraum ließen, dann könne es allzu schnell zu Gefahren für junge Wildtiere kommen, mahnt Jagdpächter Peter Bachmann zu Disziplin.
Regeln sind das eine, ohne Disziplin geht nichts!
Die Stadt Stuttgart verweist auf „verbindliche Regelungen” insbesondere dort, wo „Hunde an der Leine zu führen sind (öffentliche Anlagen, Fußgängerzonen, …), beziehungsweise in welchen Bereichen es verboten ist, einen Hund mitzuführen (Kinderspielplätze, Liegewiesen, Schulhöfe, …).” Hundehalter dürften ihre Hunde daher erst einmal frei und ohne Leine laufen lassen. Sie seien jedoch verpflichtet, darauf zu achten, dass ihre Hunde immer in Sicht- und Rufweite sind. Zudem müssten sie „gewährleisten, dass die Hunde stets im Gehorsam stehen und Befehle auch befolgen”.
Voraussetzung dafür sei „eine entsprechende Einstellung” des Hundehalters und dass er „seinen Hund dahingehend erzieht”. Und hier – da sind sich Stadt und Jäger wahrscheinlich einig – liegt die Grenze wohl regelmäßig „an der Sorg- und Gedankenlosigkeit” der Hundehalter. Mangele es am notwendigen Pflichtbewusstsein oder Interesse, hätten weitere Aufklärungsmaßnahmen wenig Erfolg. Nicht umsonst heißt es oft, das Problem befände sich meist am oberen Ende der Leine.
Könnte eine DNA-Pflicht nach Bozener Vorbild helfen?
Um bei Tierbissen oder Unfällen dem Verursacher beziehungsweise seinem Halter auf die Spur zu kommen, hielte der Hedelfinger Jagdpächter Peter Bachmann auch eine DNA-Datenbank nach Vorbild von Bozen (Südtirol) für diskussionswürdig. Die Verwaltung der Südtiroler Provinz erklärt auf ihrer Webseite: „Die Gendatenbank dient nicht allein dazu, die Verantwortlichen zurückgelassener Hundehäufchen zu identifizieren, sondern auch darum, bei Verkehrsunfällen, in welche Hunde verwickelt sind, oder bei Hundebissen eindeutig zu klären, ob es sich um das angegebene Tier handelt oder nicht.”
Eine DNA-Pflicht nach Bozener Vorbild stehe aktuell nicht im Fokus oder zur Debatte, teilt die Stadt Stuttgart zu diesem Vorschlag mit. Begründung: „DNA-Proben sind sehr aufwändig und kostenintensiv. Zudem bringt eine alleinige DNA-Probe nichts, denn jeder Hund müsste vorab registriert werden, um einen entsprechenden Abgleich vornehmen zu können. Der Aufwand und die Kosten hierfür sind sehr hoch und stehen nicht im Verhältnis zum erwarteten Erfolg.”
Am 17. September Diskussion mit dem Bezirksbeirat Hedelfingen
Da das Thema immer wieder auftaucht, hat Kai Freier jetzt eine Diskussion darüber auf die Tagesordnung der nächsten öffentlichen Sitzung des Hedelfinger Bezirsbeirats gesetzt. Dazu hat der Bezirksvorsteher Dominic Urschler eingeladen. Er ist Wildtierbeauftragter beim Vollzugsdienst im Stuttgarter Ordnungsamt. Ebenfalls zur Sitzung eingeladen sind der für den Stadtbezirk Hedelfingen zuständige neue Revierförster Benjamin Schuldt sowie die Jagdpächter Peter Bachmann und Michael Frey. Die Bezirksbeiratssitzung findet am Dienstag, 17. September 2024, im Bürgersaal des Bezirksrathauses statt (wegen der vorgeschalteten Sitzung des Sicherheitsbeirats ab 19 Uhr: Heumadener Straße 1).
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