Könnte man es bloß allen recht machen!
Was der eine gar nicht hört, kann für einen anderen unzumutbarer Lärm sein. Wer tagsüber zu Hause ist, den nervt wahrscheinlich ein Bagger vorm Haus – weil er sein Betriebsgeräusch und das Rumpeln beim Aufladen des Aushubs auf die Lastwagen den ganzen Tag zu ertragen hat. Wer hingegen morgens aus dem Haus geht und nach getaner Arbeit abends heimkehrt, registriert den Bagger womöglich überhaupt nicht. Dafür genießt er an seinem wohlverdienten Feierabend den Spielfilm seiner Wahl in kinoähnlicher Dolby-Surround-Atmosphäre, was seinem Nachbarn, der gern früh zu Bett geht, für den Rest der Nacht den Schlaf raubt. Ähnlich ist es bei anderen äußeren Einflüssen, die manche Menschen belasten, andere aber gar nicht stören. Luftverschmutzung beispielsweise oder Parksuchverkehr. Darüber kann leicht Streit entstehen. Deshalb ist es gut, wenn es messbare Kriterien gibt und Höchstwerte. Denkt man. Aber auch darüber kann heftig gestritten werden. Denn: Nicht jeder gemessene Wert entspricht dem, was man fühlt. Man denke nur an die Temperaturanzeige auf der Quecksilbersäule und die Fühltemperatur. Dazwischen können Welten liegen. Und: Nicht jeder im Rahmen eines politischen Entscheidungsprozesses festgelegte Grenzwert findet überall Gefallen, wo er zur Anwendung kommt. Aber: Irgend ein Kriterium muss man nun mal finden und festlegen. Und irgendeine Grenze muss man nun mal festschreiben und anwenden. Auch wenn es immer wieder Fälle geben wird, in denen sich trefflich über das Maß streiten lässt. Wir erleben es seit Monaten bei den Inzidenzwerten: warum zum Beispiel 35 als Grenze und nicht 34 oder 36? Und wäre 34 die Grenze, der Wert aber 35, lautete die Frage bestimmt: warum nicht 35? Die absolute Gerechtigkeit gibt es leider nie und nirgends. Dies zu akzeptieren, fällt aber im Einzelfall beziehungsweise bei persönlicher Betroffenheit immer schwer. Und so wird für einen aktuellen Streitfall – die erneut kontrovers diskutierte Bewertung des AWS-Nebauvorhabens in Wangen – wohl auch keine Lösung zu finden sein, die für alle Parteien zufriedenstellend ist. Bleibt die Erkenntnis, die Hedelfingens ehemaliger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler bei solchen Gelegenheiten gerne zum Besten gab: Ach, könnte man es doch bloß allen recht machen!
Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne