Wer trifft sich mit wem wo und wann wozu?

Eine vierköpfige Familie möchte sich am Sonntag zum Mittagessen treffen. Eigentlich kein Thema von besonderem Interesse, „wär‘ nich‘ g‘rad Corona”. So kommen nämlich mehrere Determinanten ins Spiel, die das Vorhaben komplizieren. Im Vorfeld der gemeinsamen Nahrungsaufnahme ist nun genau zu planen. Am besten verabredet sich die Familie erst einmal zu einer Videokonferenz, um anhand der neuesten Bestimmungen des Bundes und des Landes eine Bestandsaufnahme zu machen und dann die Möglichkeiten auszuloten (Surftipp: hier). Begonnen wird mit einer Analyse der Hausstände und Wohnorte. Vater und Mutter wohnen im gemeinsamen Haus in einer Kreisstadt, Tochter Carina im Haus ihrer Großmutter in der benachbarten Großstadt und Sohn Andreas in einer Wohngemeinschaft in einer anderen Kreisstadt auf der anderen Seite der Großstadt. Keine der betroffenen drei Kommunen hat momentan eine 7-Tage-Inzidenz von 200 oder mehr. So kann wenigstens die Höchstgrenze von 15 Kilometern für den zulässigen Bewegungsradius rund um den eigenen Wohnort außer Acht gelassen werden. Vorsichtshalber war der Vater aber schon mal auf dem Speicher und hat in den Kartons mit seinen alten Schulsachen nach dem Zirkelkasten gekramt. Man weiß ja nie! Anspruchsvoller wird die unvermeidbare Recherche denkbarer Treffmöglichkeiten und -zwecke. „Vor Corona” kamen Carina und Andreas einfach sonntags zu ihren Eltern, ließen sich das Essen schmecken, anschließend ging man noch gemeinsam mit dem Hund spazieren, und gut war‘s. Im verschärften Lockdown geht das nicht mehr! Problem Nummer Eins: Die vier Familienmitglieder leben in drei verschiedenen Hausständen. Das ist einer zu viel. Und da die Kinder „aus dem Haus sind”, hat die Familie nun ein Kind mehr als mit den neuesten Lockdown-Bestimmungen vereinbar. Die Eltern dürften sich also nur entweder mit Carina oder mit Andreas bei sich zum Essen treffen. Alternativ könnten die Eltern daheim essen, und Carina isst bei Andreas – oder Andreas bei Carina, was ihm immerhin ermöglichen würde, gleichzeitig seine Oma zu treffen, die sehr gut kocht. Da für die Oma jeder Tag ein Festtag ist, an dem sie ihre Enkel beide bei sich hat, bekommt diese Variante ganz klar ein Sternchen. Auch diskutiert wird darüber, dass der Vater zu Carina und ihrer Oma kommt, die seine Mutter ist. Diese Variante bekommt schon wegen ihrer Bedeutung als Mehrgenerationentreffen ebenfalls ein Sternchen. Gleichzeitig könnte Andreas bei und mit seiner Mutter essen und in dieser Zeit in ihrer Waschmaschine die Wäsche waschen. Umgekehrt ginge natürlich auch, allerdings würde die Mutter ihre Wäsche dann nicht zum Waschen mit zu ihrem Sohn bringen, denn das widerspricht dem tradierten Rollenverständnis und hätte für keinen der Beteiligten einen erkennbaren Vorteil. Interessanter erscheint es, sich am ersten Wochenende wie besprochen zum Essen und Waschen bei der Mutter zu treffen, und am darauffolgenden Wochenende fährt die Mutter zum Gegenbesuch zu Andreas, bringt dessen frisch gebügelte Wäsche vom Vorwochenende und ein vorgekochtes Essen mit. Diese Variante bekommt zumindest von Andreas ein Sternchen. In dem Moment bricht die Internetverbindung zusammen, die Entscheidung muss vertagt werden. Jetzt stellt sich erst mal die Frage: Wer geht mit dem Hund raus? Und wo? Eine Entscheidung, die keinen Aufschub duldet – Corona hin und Lockdown her. Er muss nämlich mal.

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