Zeitungen in der Krise – Subventionierung erwartet

Stuttgart-Hedelfingen, [post_published] … Tageszeitungen stecken in der Krise. Anzeigenumsätze sind weggebrochen, Jahr für Jahr verlieren die Verlage Abonnenten, das Onlinegeschäft kann die Umsatzverluste nicht kompensieren. In der Stuttgarter Zeitungsgruppe hat man die Reißleine gezogen und Redaktionen ausgedünnt. Das geht zu Lasten der Lokalnachrichten, worüber sich der Bezirksbeirat Hedelfingen beschwert hat. Jetzt hatte er zwei Verantwortliche zu Gast. Besserung ist nach deren Bericht nicht in Sicht, allenfalls eine Notlösung erscheint denkbar. Doch dafür setzen die Pressevertreter auf Subventionen.

Die Hedelfinger CDU hatte im Sommer einen Vorstoß unternommen, die „wegfallende Berichterstattung” über Lokalpolitik und -geschehen in der Cannstatter und Untertürkheimer Zeitung zu problematisieren – am 17. Oktober folgten ihr die Union und Freien Wähler mit einem entsprechenden Antrag im Wangener Beirat. Mit der Zeitungsgruppe, die auch die Stuttgarter Nachrichten und Zeitung verlegt, wollte der Bezirksbeirat Hedelfingen über Verbesserungsmöglichkeiten sprechen. Separat wurde die Stadt Stuttgart um Überlegungen zur Optimierung der lokalen Berichterstattung gebeten. Zu Letzterem gibt es noch keine Reaktion. Die Zeitungsgruppe Stuttgart entsandte am 18. Oktober Holger Gayer (geschäftsführender Redakteur bei Stuttgarter Nachrichten/Zeitung) und Malte Busato (Chief Sales Officer der Südwest Media Network) in die Rohracker Kelter. Dort stand das Thema auf der Tagesordnung der öffentlichen Sitzung des Hedelfinger Stadtbezirksparlaments.

Konzern handelte in „Notwehr” – die Zukunft ist digital

Die Analyse der beiden Verantwortlichen war schonungslos ehrlich. Jedes Jahr kämen rund sechs Prozent Zeitungsabonnenten abhanden, die Onlineabos hätten zwar endlich Zuwachsraten, doch deren „Wertschöpfung” – sprich, der Umsatz – sei leider viel geringer. Seit zwanzig Jahren nähmen die Anzeigenerlöse ständig ab, ganze Anzeigenrubriken – namentlich Auto und Immobilien – seien ins Internet abgewandert. Die Tageszeitung werde immer dünner, der Preis für das Abo steige aber stark. Da der Markt steigende Preise nur bedingt akzeptiert, hat die Zeitungsgruppe verstärkt die Kosten ins Visier genommen. Eine Folge: Die Lokalnachrichten wurden gestrafft und vereinheitlicht, die Zahl der Arbeitsplätze in den Redaktionen wurde und wird noch weiter reduziert.

Dass der Konzern nach wie vor an zwölf Standorten in der Region präsent ist, tröstet die Hedelfinger Bezirksbeiräte nicht. Sie sehen ihre Debatten sowie Informationen über Vereine und Organisationen vor Ort unterrepräsentiert. Was jetzt noch in der Untertürkheimer Zeitung, in den Stuttgarter Nachrichten sowie in der Stuttgarter Zeitung über den Stadtbezirk Hedelfingen berichtet werde, sei zu wenig, zu beliebig und obendrein in allen drei Zeitungen dasselbe.

Holger Gayer rechtfertigte die Konzernentscheidungen als „Notwehr”. Eine Rückkehr zu mehr Lokaljournalismus sei derzeit auch nicht denkbar, da nicht wirtschaftlich. Ihr Heil sieht die Zeitungsgruppe im Internet. Doch der Onlineleser konsumiere kein Gesamtwerk mehr, so Gayer, sondern sei nur noch an einzelnen Beiträgen interessiert. Bei einer Leserbefragung habe man erschreckende Erkenntnisse über die Zeitungsnutzung gewonnen, zum Teil würden ganze Seiten heutzutage ungelesen überblättert. Man habe aber auch erkannt, dass es ein gesteigertes Interesse an Themen gäbe. Aber nur an übergeordneten. Das lokale Geschehen interessiere hingegen nur wenige Eingeweihte vor Ort, meinte Gayer. Soll heißen: Damit sind keine Zugriffszahlen zu generieren.

Subventionierter Newsletter als Pilotprojekt?

Malte Busato skizzierte dann die – allerdings noch nicht ausgegorene – Idee, einen Newsletter mit Lokalkolorit aufzulegen. Die Neckarvororte könnten dafür vielleicht ein Pilotprojekt bilden. Allerdings machten Gayer und Busato mehrfach deutlich, dass sie dafür Subventionen erwarten. Ein bemerkenswerter Gedanke aus einem privaten Pressekonzern, der auf seine unternehmerische Selbstständigkeit und Unabhängigkeit Wert legt.


WILIH-Newsletter Themen der Woche

Newsletter mit Themen der Woche jetzt kostenlos bestellen!

Mit dem kostenlosen WILIH Newsletter bekommen Sie die Themen der Woche donnerstags in Ihr E-Mail-Postfach – einfach per E-Mail an infos@wilih.de bestellen! 

Jetzt ausprobieren! Abbestellung jederzeit möglich.


2 Gedanken zu „Zeitungen in der Krise – Subventionierung erwartet

  • Den Ausführungen des Norbert Klotz ist uneingeschränkt zuzustimmen. Wenn die -nur dem Titel nach – verschiedenen Zeitungen Stuttgarts fast nur noch über überregionale Themen berichten, die lokalen Nachrichten aber vernachlässigen, dann schaufeln sie ihr eigenes Grab. Denn über Dinge mit überregionalem Interesse wird in vielen Medien berichtet, dazu braucht es nicht unbedingt eine Tageszeitung. Für die Berichterstattung lokalerThemen wird sich ein neuer Markt etablieren. Dann eben ohne die Unternehmen der Südwestdeutschen Medienholding.

  • Wenn Zeitungsleser mit Neuigkeiten und Mitteilungen aus ihrem engen Umfeld von den Verlagen nicht mehr bedacht werden, verliert sich mit der Zeit das generelle Interesse am gesamten Blatt. Da es in Stuttgart keine Alternative zu den Blättern gleichen Inhalts unter unterschiedlichen Namen der Zeitungsgruppe Stuttgart mehr gibt, ist der Leser am Ende eben der gelackmeierte. Statt wegen sinkender Auflagenzahlen seitens des Managements zu jammern, sich dabei selbst zu bedauern und noch die Chupze zu besitzen, Subventionen zu erwarten, sollte die Energie in Richtung Maßnahmen zur Verbesserung der Blätter u.a. durch mehr Diversität verwendet werden. Von Pressevielfalt kann in Stuttgart mittlerweile keine Rede mehr sein. Kleine flexible Internetmedien, wie z.B. WILIH, müssen und werden hoffentlich die Chance nutzen, mit einer Berichterstattung über lokale Thema sich bei der Leserschaft und ihren Anzeigenkunden einen Namen zu machen und die Lücken schließen die im Presseeinheitsbrei größer und größer werden.

Kommentare sind geschlossen.