Bürger innen und Bürger außen

Der Mensch im begonnenen 21. Jahrhundert erscheint uns in amtlichen Schreiben, Zeitungsartikeln und Fernsehsendungen zunehmend in männlich-weiblich-fusionierter Form mit integriertem Stern*chen. Gut gemeint, die Gründe sind bekannt, aber der Konzentration, dem Lesefluss sowie dem Erfassen von Texten dient dies nicht unbedingt. Zudem kostet es Zeit und Platz. Immer häufiger begegnet uns dieses Phänomen dabei in der ausgesprochenen Sprache. Eine Sprechpause wie eine Notbremsung zwischen zum Beispiel „Bürger” und „innen” lässt für einen Moment aufhorchen. Und man fragt sich, nachdem man gemerkt hat, dass mit dem Fernseher doch noch alles in Ordnung ist: Warum denkt niemand an die Bürger „außen”? Erst recht jetzt, im Winter, wenn es kalt ist. Ist das gerecht? Sieht so ein erfolgversprechender Kampf gegen Diskriminierung aus? Die ZEIT hat sich zu diesem Thema sogar etwas noch Besondereres ausgedacht. Sie wechselt gerne männlich und weiblich in ihren Texten ab. Da ist dann beispielsweise von „Politikerinnen und Stadtbewohnern” die Rede – und man mag sich fragen, warum nicht von Politikern und Stadtbewohnerinnen. Allerdings hält selbst die renommierte Wochenzeitung ihr System nicht konsequent durch. So schreibt sie in ein und demselben Artikel von „Paketzustellern und -zustellerinnen”. Und vielleicht weil selbst Schreiberlinge (m/w/d) die wenigsten Pakete von Zustellerinnen von außen nach innen gebracht bekommen, heißen einige Zeilen später diejenigen, die bei Post-, Kurier- und Expressdiensten malochen, dann mal einfach „Arbeitnehmer”. Ungegendert und ohne Sternchen. Einfach so. Oder wie die Älteren unter uns, die noch Sprache zum Sprechen und Lesen ohne Hindernislauf gelernt haben, sagen würden: wie früher. Dabei hätten doch viele Paketzustellarbeitnehmer – innen wie außen – gerade jetzt, in der downgelockten Vorweihnachtszeit, in der wir sie vom Sofa oder Schreibtisch aus an die Arbeit schicken, für ihre Schlepperei bei Wind und Wetter Sterne verdient. Und zwar fünf und nicht nur einen einzigen mit der Endung -chen, der/das sich verschämt in ihrer Berufsbezeichnung versteckt. Innen, nicht außen.

Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne