Feiern ohne Kirbe – Tradition trifft auf Zeitgeist

Stuttgart-Wangen … In Wangen fällt in diesem Jahr die Kirbe aus. Das mag manch einer bedauern, schließlich droht einem Traditionsfest das Aus. Doch wie lange soll eine Tradition gepflegt werden, wenn sie dem Zeitgeist offensichtlich nicht mehr entspricht. Und von wem? Die Freiwillige Feuerwehr Wangen – an deren Tropf die Kirbe schon seit Jahren hing – zieht nun die Konsequenzen. Auf ein Stadtteilfest müssen die Wangener deshalb aber nicht verzichten. Im Gegenteil: Sie bekommen ein neues. Kann das vielleicht sogar zum Vorbild für andere Stadtteile werden?

Marcel Pfost ist ein Freund klarer Worte. Deshalb hat der Wangener Feuerwehrchef im vergangenen Monat dem örtlichen Bezirksbeirat reinen Wein eingeschenkt: Die Feuerwehr veranstaltet die Kirbe in diesem Jahr nicht mehr! Zwar habe man lange den „Kirbe-Mädle und -buben” gerne unter die Arme gegriffen, blickt Pfost zurück. Schließlich erfordere eine zweitägige Veranstaltung wie die Kirbe viel Organisationsfähigkeit – auch personell. Aber da die Kirbejahrgänge immer dünner besetzt sind oder es gar keinen Kirbejahrgang gibt, bleibt das „G’schäft” zunehmend an der Feuerwehr hängen. Ohne dass sich das lohnt: Im vorigen Jahr reichte es gerade noch zu einer schwarzen Null, vor zwei Jahren habe die örtliche Wehr mehrere Tausend Euro draufgelegt, berichtet Pfost.

Ist es Aufgabe einer Feuerwehr, ein Fest auszurichten?

Das geht natürlich nicht auf Dauer. Selbst wenn der Wangener Bezirksbeirat spendabel ist und bei einem Defizit in sein Bezirkssäckel greift: Allein der personelle Aufwand für eine ehrenamtlich engagierte Truppe wie eine Feuerwehrabteilung ist kaum noch zu rechtfertigen. Marcel Pfost hat den Bezirksbeiräten vorgerechnet, dass sich seine Feuerwehrfrauen und -männer unzählige Stunden für die Planung und Umsetzung der Veranstaltung einbringen. Zudem hätten sich die Rahmenbedingungen geändert. Pfost nannte Auflagen für Straßensperrungen, Security, Hygienevorschriften – und neuerdings auch noch die Umsatzsteuerpflicht. Damit, so Pfost, sei jetzt eine Grenze erreicht, wenn nicht überschritten. Der Bezirksbeirat reagierte erstaunt bis traurig – aber auch mit Verständnis.

Die Frage, die erlaubt sein muss, lautet: Kann es überhaupt Aufgabe einer Freiwilligen Feuerwehr sein, Feste für die Bevölkerung zu veranstalten? Ihre originäre Aufgabe ist das ganz bestimmt nicht. Feuerwehren haben Brände zu löschen, Menschen und gelegentlich auch Tiere zu retten, überschwemmte Keller leerzupumpen oder vom Sturm umgerissene Bäume von der Straße zu entfernen. Feuerwehrleute befreien eingeschlossene Verletzte aus Unfallautos, kümmern sich um die Brandschutzerziehung von Kindern, informieren über Feuergefahren in Haus und Garten, sind als Rettungskräfte bei Großveranstaltungen im Einsatz und, und, und. Zudem beschäftigen sie sich zunehmend mit vorbeugendem Katastrophenschutz. Dafür halten sie sich, ihre Gerätschaften und Fahrzeuge permanent fit und einsatzbereit und bilden sich regelmäßig fort.

Vielfältiges Engagement für die Gesellschaft – freiwillig

Daneben beteiligen sich Freiwillige Feuerwehren regelmäßig und rege am örtlichen Geschehen und stützen damit entscheidend das gesellschaftliche Miteinander im Ort. Neben der Beteiligung an beziehungsweise Ausrichtung von Stadtteilfesten gehören zu den Aktivitäten von Feuerwehren beispielsweise deren Einsatz bei einer Stadtbezirksputzete (so in Wangen) oder eigene Benefizaktionen (zum Beispiel der alljährliche Christbaumverkauf für einen guten Zweck in Riedenberg), die Begleitung des örtlichen Laternenumzugs für Kinder (wie in Rohracker) oder die Aufstellung von Weihnachtsbäumen (beispielsweise in Hedelfingen, Heumaden und Sillenbuch). Ohne solche Beiträge wäre das gesellschaftliche Leben in den Stadtteilen bestimmt ärmer. Aber: Eine Verpflichtung zu derlei Engagement gibt es nicht! Es ist ein Ehrenamt. Hinter diesem urdeutschen Begriff steht ein hohes Gut, die Freiwilligkeit. Auf Neudeutsch sind Feuerwehrleute „Volunteers”.

Natürlich muss niemand Gewissensbisse bekommen, wenn er oder sie sich bei einem von einer Feuerwehr ausgerichteten Stadtfest unter einen Sonnenschirm auf die Bierbank setzt und sich eine Bratwurst schmecken lässt. Dafür ist das Fest schließlich da. Und die Freiwilligen machen das aus freien Stücken und mit Spaß an der Freude. Zumindest so lange, wie sich ihr Einsatz „lohnt”. Und das ist nicht allein eine Frage des „Geldverdienens“. Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement hat auch sehr viel mit intrinsischer Motivation zu tun. Ein zartes Pflänzchen, das guter Pflege bedarf, um dauerhaft zu gedeihen.

Ist die Kirbe – zumindest in Wangen – nicht mehr zeitgemäß?

Hier kommt die Wangener Kirbe ins Spiel. Über viele Jahre haben die Wangener Feuerwehrleute diese zweitägige Traditionsveranstaltung mit viel Herzblut und enormem personellen Aufwand gestützt. Doch zuletzt standen sie fast alleine da. Die Suche nach Kirbejahrgängen war schon seit längerer Zeit nicht mehr von Erfolg gekrönt. Und zur Kirbe kamen immer weniger Gäste. Letzteres hat auch mit der Bevölkerungsstruktur von Wangen zu tun. Der Stuttgarter Neckarvorort hat einen deutlich über den Stadtschnitt liegenden Anteil von Einwohnern mit Migrationsgeschichte – Tendenz steigend.

Die Kirbe, die für alteingesessene – aber zunehmend aussterbende – Wangener eine „Tradition” sein mag, ist für Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund vielleicht bloß ein Fest unter vielen. Dass da ein schmuckvoll gebundener „Riesentrauben” an den Haken gehängt wird und dazu – wenn auch besonders gute – Blasmusik ertönt, ist eben auch etwas typisch „Einheimisches”. Und möglicherweise im Jahr 2025 auch ein wenig aus der Zeit gefallen, denn die jüngere Generation lockt es ja auch nicht mehr in Scharen an.

Beim Feuerwehrfest am 2. August steht „Blaulicht” im Mittelpunkt

Zur Wangener Feuerwehr würde es aber ganz und gar nicht passen, die Flinte ins Korn zu werfen und zu sagen: „Wir machen nicht mehr mit”. Deshalb hat man sich nach der Kirbe 2024 viele Gedanken gemacht und startet mit einem eigenen Feuerwehrfest nun ein Experiment. Zu den Lehren, die man aus der jüngeren Vergangenheit gezogen hat, gehört vor allem die Erkenntnis, dass ein eintägiges Fest auch genügend Freude vermitteln kann. Deshalb beschränkt man sich auf einen Samstag – es wird der 2. August sein.

Außerdem setzen Marcel Pfost und sein Team voll und ganz auf das Thema „Blaulicht”. Es wird also viele Feuerwehrfahrzeuge zu bestaunen geben, nicht nur Wangener. So soll auch eine Stuttgarter Rarität zu sehen sein – ein Tanklöschfahrzeug, das speziell bei Waldbränden zum Einsatz kommt. Es ist in Heumaden stationiert und wird am 2. August vor der Wangener Kelter stehen. Außerdem rücken die Feuerwehrkameraden aus dem benachbarten Untertürkheim mit Ihrem großen Feuerwehrfahrzeug mit Drehleiter und Korb an. Und auch das Bevölkerungsschutzmobil des Landes wird vor Ort sein. Vor drei Jahren war es bereits beim Riedenberger Feuerwehrfest im Einsatz – damals ein voller Erfolg. Das Wangener Feuerwehrfest verspricht also vor allem für Technikbegeisterte und Hobbyfotografen interessante Erlebnisse und schöne Motive.

Familienfreundliches Fest zum Eintauchen in die Welt der Feuerwehr

Doch weil nicht nur „Blaulicht” zieht, wie der Wangener Feuerwehrkommandant aus Erfahrung weiß, sondern auch stärkendes Essen und erfrischendes Trinken, wird vor der Ausfahrt des Magazins und in der Fahrzeughalle bewirtet. Auch mit neuen Ideen, zum Beispiel einem Wurstsalat im Bierkrug; auf dem obigen Foto zeigt Marcel Pfost schon mal einen „Prototyp”.

Auf dem Festgelände vor der Kelter können sich die Eltern gemütlich stärken und ein wenig ausruhen, während die Kids nach Herzenslust und hautnah die Welt der Feuerwehr und ihre spannende Technik sowie die legendäre Kameradschaft „von innen” ergründen. Und vielleicht möchte die eine oder der andere ja danach auch mal bei der Jugendfeuerwehr reinschnuppern. Feuerwehrfeste sind schließlich auch immer hervorragende Gelegenheiten, um Neues zu beginnen und Freunde zu finden.

Feuerwehr während des Festes voll einsatzbereit

Übrigens muss sich niemand Sorgen machen, wenn es ausgerechnet am 2. August in Wangen irgendwo brennt. Die Feuerwehr sei in vollem Umfang einsatzbereit, versichert Kommandant Marcel Pfost. Sollte also im Laufe des Festes ein Alarm ausgelöst werden, können die Feuerwehrleute unverzüglich mit ihren bereitstehenden Fahrzeugen ausrücken. Dann wäre die Feuerwehr live zu erleben – das wäre dann aber keine „Show”, sondern bitterer Ernst. Im Sinne der originären Aufgabe der Feuerwehr.

Foto: Kommandant Marcel Pfost lädt zum Feuerwehrfest am 2. August ein. Neu auf der Speisekarte ist beim Feuerwehrfest ein Wurstsalat aus dem Bierkrug. 

Termin: Ganztägiges Feuerwehrfest in Wangen am Samstag, 2. August 2025, bei der Kelter an der Ulmer Straße 334. Aktivitäten von 11.30 bis 17 Uhr, Essen/Getränke von 11.30 bis 20 Uhr. Weitere Informationen gibt es im Veranstaltungskalender für den August auf der Webseite der Freiwilligen Feuerwehr Wangen hier.


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2 Gedanken zu „Feiern ohne Kirbe – Tradition trifft auf Zeitgeist

  • G. Schuler

    Diesem engagierten Feuerwehr-Team kann man nur viel Erfolg, gutes Gelingen und ebensolches Wetter wünschen!

  • Niels Clasen

    Finde ich gut, wie sich die Feuerwehr Wangen positioniert hat. Wenn es selbst mit Anstrengung und all den Versuchen zur Nachhilfe keinen Kirbejahrgang mehr gibt, dann sagt das eben auch etwas über dieses Fest aus. Endgültig ist das Aus ja nicht, vielleicht klappt es ja nächstes Jahr. Aber das auch nur wenn Werbung, Suche und Finden eines „Kirbejahrgang“, die Vorbereitung und Organsiation nicht an der Feuerwehr hängen bleiben. Da wären dann auch andere gefragt, voran Vereine und Bezirksbeirat. Kann das Kinder- und Jugendhaus vielleicht einsteigen?
    Und wenn das auch nichts hilft, dann wars dann wohl mit der Tradition. Kommt vor!
    Deshalb begrüße ich die Initiative von Marcel Pfost und seinem Team. Ich wünsche Euch vollen Erfolg! Wie bereits im Bezirksbeirat Wangen angekündigt, werde ich mithelfen. Allen Wangenerinnen und Wangenern sage ich: Helft auch mit – und: Kommt hin, feiert mit dieser starken Truppe. Wer bis 2. August hier im Ort bleibt, schreibe sich den Tag des Festes auf oder – neudeutsch – Save the Date!

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