Hafen-Diskussion: Wirtschaft und Wohnen im Wettbewerb
Stuttgart-Hedelfingen … Der Hafen gehört der Stadt und zu Stuttgart, konkret zum Stadtbezirk Hedelfingen. Dessen Bezirksbeirat hatte zu einer Podiumsdiskssion am 15. Februar ins Hedelfinger Waldheim eingeladen und gefragt: „Wieviel Hafen wollen wir uns leisten?“. Vier Experten offenbarten unterschiedliche Sichtweisen zum Wettstreit zwischen Wirtschafts- und Wohninteressen.
Ständig zunehmender Verkehr, insbesondere Güterverkehr, stelle Politiker und Planer vor Herausforderungen, meinte Steffen Bilger. Da die Schiene schon ähnlich ausgelastet sei wie die Straße, biete sich der Fluss als sinnvolle Ergänzung an. „Die Wasserstraße hat gewaltige Vorteile gegenüber der Straße und Schiene“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundessministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in seinem Impulsreferat. Der Schadstoffausstoß sei gering, die Kosten ebenfalls. Dass „locker zwei Milliarden Euro“ in einen Ausbau des Neckars investiert werden sollten, um dessen Attraktivität für den Güterfernverkehr zu erhöhen, hört man bei der örtlichen Wirtschaft bestimmt gerne. Bilger forderte aber auch, den Neckar verstärkt als Ort für Erlebnisse zu sehen und für die Bevölkerung attraktiver zu machen. Eine Forderung, die im WILIH-Land offene Ohren findet – Stichwort „Stadt am Fluss“.
Sind Industrie, Logistik und Wohnen zu mischen?
Diesen Aspekt griff Stefan Behnisch gleich auf. Der Stuttgarter Architekt forderte, den Hafen binnen 50 Jahren in einen Lebensraum zu verwandeln. Und meinte damit vor allem eines: Wohnungsbau. Leider blieb diese Phantasie während der Diskussion im Abstrakten, weil Behnisch zwar mehrach von einer „Durchmischung“ träumte, aber keine Ideen skizzierte. Erst im Laufe des Abends, als verstärkt über die Verkehrswege rund um den Hafen gesprochen wurde, nahm das Thema zarte Konturen an: Würde die B10 unter die Erde verlegt, könnte darauf gebaut werden. Eine wohl für viele Anrainer verlockende Vorstellung, allerdings nur – im wahrsten Wortsinne – am Rande ein Hafen-Thema.
Als Gegenspieler in einer teilweise emotionalen Debatte erwies sich Carsten Strähle. Was nicht überrascht, schließlich ist er Geschäftsführer der Stuttgarter Hafengesellschaft und sozusagen von Amts wegen der Wirtschaftlichkeit der, wie er es formulierte, „Güterverkehrsdrehscheibe im Zentrum der wirtschaftlichen Wertschöpfung“ verpflichtet. Deshalb sprach sich Strähle auch dafür aus, frei werdende Hafenflächen wieder mit Gewerbebetrieben zu belegen und nicht für Wohnbau zu opfern. Zumal sich der Hafen-Chef nicht vorstellen kann, dass die Politik die Immissions- und Lärmschutzbestimmungen für den Hafen verschärfen würde, um dort bessere Wohnbedingungen zu schaffen.
Applaus für Arbeitsplätze-Appell, Kritik an Brücken
Das sieht Steffen Bilger ähnlich. Der Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordnete warnte vor einer weiteren Abwanderung von Industrie aus der Region Stuttgart und erntete Applaus für seinen Appell, Verantwortung für die Arbeitsplätze im Allgemeinen und insbesondere im Hafen zu übernehmen. Die Frage der Flächenverwendung auf dem Hafengelände spielte er dem Stuttgarter Geminderat zu. Schließlich gehört das Hafengelände der Stadt, und die Hafengesellschaft ist eine kommunale Beteiligungsgesellschaft.
Rückenwind für eine über die bisherige Nutzung hinausgehende Funktion des Hafens kam von Andreas Hofer. Der Intendant der Internationalen Bauausstellung (IBA), die 2027 in der Stadtregion Stuttgart stattfinden wird, sprach sich zwar für einen Erhalt von Produktionsbetrieben in der Landeshauptstadt aus, forderte aber zugleich, dies müsse „leiser und sauberer“ geschehen. Die Gefahr einer Verdrängung von Hafenflächen zugunsten von Wohnungen sieht er nicht. Für ihn, so Hofer, seien vor allem die Brücken über das Hafengelände ein Problem. Stuttgart solle „offensiver damit umgehen“. Können die Hamburger HafenCity oder der Ponte Vecchio in Florenz für Stuttgart Impulse geben?
Versuch eines Fazits
Und: Wieviel Hafen wollen wir uns leisten? Die von Moderator Holger Gayer, Lokalchef der Stuttgarter Zeitung, treffend als „lebendig und kontrovers wie selten“ bezeichnete Diskussion ließ die Antwort auf das Motto des Abends zwar offen. Sie gab nicht mehr, aber auch nicht weniger als Denkanreize, auf denen sich aufbauen lässt. Während der Architekt Günter Behnisch eher skeptisch in die Hafenzukunft schaut und seine Hoffnungen auf einer industriellen Veränderung ruhen, sieht Carsten Strähle eine zunehmende Containerisierung des Hafens kommen. Dies werde aber nicht verhindern, dass Stuttgart eine lebenswerte und prosperierende Stadt bleibe, ist der Hafenchef überzeugt. Steffen Bilger wünscht sich neben einem Erhalt der Wirtschaftskraft für Stuttgart mehr Offenheit für Zukunftskonzepte; die IBA 2027 sieht der Politiker dafür als Chance. IBA-Intendant Andreas Hofer gab sich zum Schluss ganz gelassen: „Das Schöne an der Zukunft ist: Du musst nichts machen, sie kommt einfach auf Dich zu.“
www.hafenstuttgart.de
www.iba27.de
Foto oben: Es diskutierten (von links) Stefan Behnisch, Steffen Bilger, Carsten Strähle, Andreas Hifer und Moderator Holger Gayer.
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