Heumaden Süd – Heimlich planen, unheimlich bauen?
Stuttgart-Heumaden … Die Entwicklung eines Konzepts für Heumaden-Süd geht weiter, wenn auch langsam. Nach einer verunglückten Bürgerbeteiligung, einer Positionierung des Sillenbucher Bezirksbeirats sowie einem Mehrheitsvotum des Gemeinderats hat die Stadt Stuttgart inzwischen einen neuen Workshop durchgeführt und daraus Vorstellungen abgeleitet. Besonderes Augenmerk scheint die Stadt auf Anschlusswohnungen für Geflüchtete zu legen. Neue Ideen gibt es für ein Gewerbegebiet.
Warum sich das Planwerk nach wie vor mit dem Titel „Lebendige Gartenstadt” schmückt, bleibt verborgen. Erkennbar ist hingegen ein städtisches Interesse an Nachverdichtung und Flüchtlingsunterbringung. Die Rede ist von mindestens vier- und bis zu achtgeschossigen Gebäuden.
Der Bezirksbeirat Sillenbuch wurde erst am 16. Juli – dreizehn Tage vor der geplanten Beschlussfassung – eingeweiht. Das und wesentliche Teile des städtischen Konzepts stoßen in Sillenbuch auf Kritik. Allerdings gelang es dem Gremium selbst nach längerer Diskussion nicht, ein deutliches Signal an die Stadt und den Gemeinderat zu formulieren.
Am 29. Juli soll – nach zweimaliger Vertagung – der Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik (STA) des Stuttgarter Gemeinderat das letzte Wort haben. Irgendwann soll auch noch die Öffentlichkeit über das weitere Vorgehen informiert werden.
Was plant die Stadt?
Die Stadt Stuttgart präsentierte dem Bezirksbeirat Sillenbuch nun zentrale Vorhaben für die weitere Entwicklung des städtebaulichen Konzepts „Lebendige Gartenstadt“ – primär in Bezug auf das Teilprojekt „Miteinander-Quartier”. Im Mittelpunkt stehen nachhaltige Stadtentwicklung, soziale Infrastruktur und die gezielte Stärkung von Gewerbe- und Wohnbereichen.
Vertiefende Planungen wurden und werden auf Basis bereits beschlossener Konzepte vorangetrieben. Dabei stützt sich die Stadtverwaltung auf einen grundlegenden Gemeinderatsbeschluss vom 24. September 2024. Darin wurde der weitere Entwicklungsplan festgelegt:
Erster Schwerpunkt soll ein „Miteinander-Quartier” an der Südseite der Kirchheimer Straße zwischen dem Riedenberger Neubaugebiet und dem Wohngebiet Heumaden „Über der Straße” sein. Damit würden die Stadtteile Riedenberg und Heumaden endgültig verschmolzen. Ein Lückenschluss, der dem gesamten Stadtbezirk Sillenbuch ein neues Gepräge gäbe.
Ein zweites Plangebiet befindet sich an der gegenüberliegenden Seite der Kirchheimer Straße westlich der heutigen Einmündung der Bockelstraße; langfristig soll hier ein autofreies „Urbanes Quartier” mit „Mobility Hub” entstehen und die Filderauffahrt irgendwann einmal geradeaus auf die Kirchheimer Straße führen. Dass dafür die Stadtbahnlinie neu überquert und eine neue Kreuzung gebaut werden müsste, hat bislang noch niemand deutlich ausgesprochen. Ein nicht ansatzweise finanziertes Multi-Millionen-Projekt mit völlig unklarem Nutzen.
Eine dritte Planungsaufgabe rankt um die soziale Infrastruktur im Bereich von Schwarzäcker bis Bernsteinwiese. Themen sollen insbesondere Pflegeeinrichtungen und betreutes Wohnen, die seit 2018 diskutierte Verlagerung der Freien Aktiven Schule aus Hoffeld nach Heumaden sowie die „langfristige Sicherung von Wohneinheiten für Flüchtlings- und/oder Anschlusswohnen” sein. Am Nordrand der Bernsteinwiese soll eine sechsgruppige Kindertagesstätte gebaut werden.
Ein viertes Planungsthema umfasst „landwirtschaftliche und weitere Nutzungen”. Für die heutigen Gewerbestandorte beim Schwarzäckerweg sollen „Ersatzflächen” gefunden werden; eine Machbarkeitsstudie soll „erste konzeptionelle Überlegungen” zu Tage fördern. Sie soll Teil einer stadtweiten Untersuchungskonzeption werden, die den vielversprechenden Künstlernamen FUTURE YARDS PLUS trägt. Zielgebiet der städtischen Überlegungen sind die heutigen Kleingärten westlich der Bockelstraße 130 bis 146. Wo ein Verkehrsanschluss für ein dortiges Gewerbegebiet herkommen soll, solange es noch keine verlängerte Filderauffahrt gibt, ist unklar.
Über den Rahmen, den der Gemeinderat im vorigen Herbst festgelegt hat, werde nicht mehr verhandelt, machte Susanne Frucht jetzt gegenüber dem Sillenbucher Bezirksbeirat deutlich. Die Leiterin der Abteilung für die städtebauliche Planung auf den Fildern im Stuttgarter Amt für Stadtplanung und Wohnen stellte klar: Wohnungsbau sei „gesetzt”. Ebenso eine Bebauung des heutigen Demeter-Ackers Schwellenäcker. Die Stadt wolle möglichst schnell einen Wettbewerb ausloben können.
Was erbrachte der „Beteiligtenworkshop” im März – wer wurde daran beteiligt, wer nicht?
„Am 13. März 2025 fand der Beteiligtenworkshop zum Miteinander-Quartier im Gemeindesaal der Gnadenkirche in Heumaden statt.” So steht es in der verspätet am 9. Juli fertig gewordenen städtischen Beschlussvorlage 0552/2025 (Link zum Sammeldukument hier). Zu diesem nicht an die Öffentlichkeit gelangten Termin waren nur ausgewählte Personen eingeladen. Neben Sillenbuchs Vize-Bezirksvorsteher Uwe Dasler nahmen zahlreiche Ämtervertreter, „Bürgervertreter aus Heumaden mit Erfahrung in den Bereichen Integration und Alterswohnen” sowie mögliche Projektträger teil. Die Teilnehmerzahl wird von der Stadt mit 42 Personen beziffert. Ausdrücklich nicht erwünscht waren Bezirksbeiräte. Hingegen waren zwei Sillenbucher Jugendräte dabei.
Wer genau anwesend war, darüber schweigt sich die Stadt aus. Auch auf Nachfragen aus dem Bezirksbeirat ließ sich Susanne Frucht keine Informationen entlocken. Offenbar gibt es auch noch keine Dokumentation; sie soll nachgereicht werden. Über die Kriterien zur Auswahl des überschaubaren Teilnehmerkreises lässt sich nur spekulieren. Die Sillenbucher Bezirksbeiräte kritisierten massiv, dass ihre Beteiligung nicht gewollt war. Die einzige veröffentlichte Information über das, was sich die Stadt am 13. März 2025 hinter verschlossenen Türen hat zurechtmoderieren lassen, steckt in der städtischen Beschlussvorlage für den Gemeinderat. Doch welcher Bürger liest die schon?
Über eineinhalb Stunden erarbeiteten fünf Gruppen (öffentlich nicht bekannter Zusammensetzung) Ideen zur örtlichen und baulichen Struktur des geplanten „Miteinander-Quartiers”. Herausgekommen sind im Ergebnis vielfältige Wünsche, von denen eine „Quartiersgarage” für ein „autofreies Quartier” eine neue und baulich komplexe Aufgabe darstellt. Insgesamt lässt die Stadt auffällig häufig ihr Interesse an „Anschlusswohnen für Geflüchtete” erkennen. Allerdings steht dies noch in den Sternen. Denn gerade erst steht ein erster Abschnitt der Neubebauung des Areals mit Modulbauten für Asylbewerber vor dem Abschluss (Foto oben). Ein zweiter soll sich anschließen, wenn bis auf ein Bestandsgebäude die bisherigen Wohnriegel abgerissen sein werden – ein Provisorium, das über 30 Jahre gehalten hat.
Geld, Umwelt, Zeit – drei Fragezeichen
Für den März-Workshop wurde ein Teil der knapp 13.000 Euro ausgegeben, die von den seit 2021 für die Bürgerbeteiligung zur Verfügung stehenden Planungsmitteln noch übriggeblieben sind. Insgesamt hatte der Stuttgarter Gemeinderat seinerzeit 150.000 Euro bewilligt. Dieser „Topf” ist jetzt so gut wie leer. Über künftige Finanzbedarfe und deren Deckung macht die Stadtverwaltung zur Zeit keine Angaben. Auch ein ganz großes Zukunftsthema ist noch unberührt: „Die Auswirkungen der Maßnahme auf den Klimaschutz sind nicht quantifizierbar.”
Kein Wunder: Ignoriert werden in dem neuen Papier nämlich Behörden-Einwände aus dem vergangenen Jahr (Anlage 1 zur Gemeinderatsdrucksache 14/2024). Beispielsweise zum Lärm: „Insgesamt erscheint das Konzept hinsichtlich des bestehenden Lärms und der Lärmentwicklung nicht ausgereift. Daher kann die Planung aus Sicht des Amts für Umweltschutz – Verkehrslärm nicht mitgetragen werden.” Ein anderes Beispiel ist der Naturschutz: „Das Konzept wird … von der unteren Naturschutzbehörde abgelehnt.” Ähnlich beim Bodenschutz: „Von Seiten des Bodenschutzes wird die vorgelegte Konzeption … nicht mitgetragen.” Außerdem werden Untersuchungen und Gutachten gefordert. Insbesondere zu Altlasten (Bauhof, Tankstelle), zum Immissionsschutz (Tennisplätze) und Stadtklima (Grünzug Schwarzäcker).
Alle diese Bedenken von Fachbehörden tauchen in dem neuen Papier der Stadt nicht mehr auf. Die Stadt propagiert stattdessen Wohnungsbau und Flüchtlingswohnen. Die ins Auge gefassten Grundstücke südlich der Kirchheimer Straße gehören fast ausnahmslos ihr. Das ist günstig im Hinblick auf Planung und Baurecht. Und es kann Begehrlichkeiten wecken. Denn aktuell ist die Landeshauptstadt mehr als klamm. In solchen Zeiten sind Grundstückserlöse höchst willkommen.
Doch allzu rasch wird sich das Stadtsäckel nicht füllen lassen. Denn die jetzt präsentierte Zeitschiene bleibt im Ungefähren. Frühestens 2031 könne mit der baulichen Realisierung begonnen werden, heißt es. Daran anschließen könnte sich eine Bauzeit von zwei Jahren.
Was hält der Bezirksbeirat davon?
Die Diskussion in der öffentlichen Sitzung des Sillenbucher Bezirksbeirats verlief uneinheitlich. Unisono stieß jedoch auf Kritik, dass der Bezirksbeirat erst jetzt informiert wurde.
Auf so begrenzter Fläche könnten nicht alle Wünsche erfüllt werden, ist für Philipp Kordowich klar. Das jetzt von der Stadt vorgelegte Papier sei aber „nicht zielführend”. Drei wesentliche Punkte kämen nicht zur Geltung, kritisierte der Sprecher der CDU-Fraktion: Wohnen, Kindergärten und Pflege. Auch die Vorstellungen für ein Gewerbegebiet seien zu wenig konkret. Aus Unionssicht habe die Stadt die Prioritäten falsch gesetzt.
Große Probleme haben die Grünen nach wie vor mit einer Bebauung der Schwellenäcker. Dies allein gebiete die Ablehnung der städtischen Weiterentwicklungspläne, meinte deren Sprecher Richard Hiller-Bixel. Zudem wollte er wissen, wie hoch der Finanzbedarf sei.
Für Ulrich Storz geht es jetzt erst um Prüfungen. Erst wenn deren Ergebnisse feststünden und der Öffentlichkeit vorgestellt worden seien, könne man weiter planen, meinte der SPD-Sprecher. Offen sei aus seiner Sicht, was mit den neuen Modulbauten im Asyldorf passiere. Außerdem seien die privaten Gebäude an der westlichen Bockelstraße bei der Planung „übersehen” worden, zur Zeit werde dort sogar ein weiteres Haus gebaut. Sich nun auf das geplante Miteinander-Quartier zu fokussieren, sei zu kurz gedacht, gab Storz weiter zu bedenken. Zudem seien Fragen zur Energieversorgung, insbesondere durch Nahwärmenetze, mitzuplanen.
Walter Haag (Freie Wähler) regt eine Grundsteuerbefreiung für „bezahlbare” Wohnungen an. Irene Kamm (SöS) sieht angesichts stadtweit leerstehender Büroflächen keinen Anlass für eine Bebauung der Schwellenäcker. Nermin Mete (beratendes Mitglied für Migration und Integration) sorgt sich um die Zukunft des Hundesportplatzes und der Gewerbeflächen am Schwarzäckerweg. FDP und AfD äußerten sich nicht zum städtischen Weiterentwicklungsplan.
Zwar muss der Bezirksbeirat – als beratendes Gremium – in der Sache jetzt keinen Beschluss fassen. Bezirksvorsteher Hans Peter Klein versuchte dennoch, ein Stimmungsbild einzuholen. Dies gestaltete sich als überaus schwierig. Denn während die SPD grundsätzlich zustimmte, zeigten sich Grüne, Freie Wähler und SöS eher ablehnend, CDU, FDP und AfD hielten sich bedeckt. Einigkeit sieht anders aus, auch wenn für das Stadtbezirksparlament das Thema noch lange nicht ausdiskutiert erscheint. Ob der Gemeinderat dies auch so sieht, bleibt abzuwarten.
Das Foto oben zeigt das Asyldorf in Heumaden aus dem Blickwinkel der Stadtbahnhaltestelle Bockelstraße. Erst wenn die noch nicht einmal vollständig aufgebauten Modulbauten für Asylbewerberwohnungen eines Tages abgebaut und umgesetzt oder vielleicht auch wieder abgerissen sein werden, kann hier neu gebaut werden. Wann dies sein wird, ist derzeit völlig offen.
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