Hundert steile Jahre

Riesling, Müller-Thurgau, Kerner, Lemberger, Trollinger, Spätburgunder, Dornfelder. Bekannte Namen von Rebsorten, die auch denen flüssig über die Lippen kommen, denen nicht allzu oft Flüssiges aus Weinflaschen über die Lippen kommt. Aber was hat in unserer Demokratie noch ein Monarch verloren? Und worin besteht der Unterschied zwischen Sauvignon und Souvignier? Von der Buchstabenfolge mal abgesehen. Fragen, die die Überzeugungswengerter aus Rohracker kompetent beantworten können. Was sie dazu auch noch gerne tun. Denn bei den Weinbauseminaren der Rohräcker wird dem Vernehmen nach mindestens so viel gequatscht wie geschafft. Wein löst eben die Zunge, und das schon bevor er im Glas ist. Einen guten Humor braucht man vielleicht auch, wenn man einen Wengert am Steilhang zu bewirtschaften hat. Die bald hundert Jahre alte Weingärtnergenossenschaft beweist ihn mit ihrem Slogan „steil, aber oho“. Wobei „oho“ nicht allein für die Produkte gilt, sondern ebenso für die Weinberge zwischen dem Frauenkopf und Rohracker – die im wahrsten Sinne Berge sind. Was die Wengerter dort nicht haben wollen, sind Pilze – deshalb setzen sie verstärkt auf neue („piwi“, d.h. pilzwiderstandsfähige) Sorten, die auch mit wenig Spritzmittel gedeihen. Das mag andere Lebewesen erfreuen, die mehr als herzlich an den Rohracker Steilhängen willkommen sind – Touristen. Denn hier präsentiert die Großstadt zwischen Wald und Reben einer ihrer Schokoladenseiten. Auf dem noch nicht so prominenten Weinwanderweg die Seele baumeln und die Blicke zum Fernsehturm, nach Sillenbuch oder in Richtung Württemberg schweifen lassen – das ist ein Genuss. Einfach steil!

Rundgeschaut … Die Seite 3 Kolumne aus dem WILIH … 14.11.2018