Rundgeschaut 9.11.2016

Siegeszug des Narrativs

Hinter bestimmten Blättern steckt laut Werbung angeblich immer ein kluger Kopf. Und der will natürlich mit klugen Artikeln gefüttert werden. Deshalb ist die Sprache in den intellektueller angehauchten unter den intellektuellen Medien meistens ein wenig intellektueller. Sie benutzt daher auch gerne Fremdwörter. Einige erleben auf diese Weise hin und wieder eine (Achtung, Fremdwort) Renaissance. Andere gelangen durch (Achtung, Fremdwort) penetrante Verwendung in den (jetzt zählen Sie bitte selber mit) Fokus anderer Autoren, die sich der Mode nicht verweigern wollen oder können. Und schon ist es passiert: Ein Wort verselbständigt sich und taucht fortan immer und überall auf. Unser Wort des Augenblicks in dieser Beziehung ist der „Narrativ”. Sprachlich handelt es sich um eine Erzählung. Verwendet wird der Begriff – insbesondere im Moment – vor allem im Zusammenhang mit gesellschaftlichen beziehungsweise politischen Phänomenen und Entwicklungen. Werturteile und Emotionen spielen dabei eine große Rolle. Und die Aktualität beziehungsweise deren Wahrnehmung. Ein aktuelles Beispiel für einen Narrativ ist die aus der Pegida-Bewegung hervorgegangene Beschimpfung der „Lügenpresse”. Vorgetragen von immer mehr „Wutbürgern”. In engem thematischen Zusammenhang zu sehen mit der „Flüchtlingskrise”, die in Deutschland eine „Willkommenskultur” auslöste und zum Narrativ  „Wir schaffen das” führte. Bevor sich dieser Optimismus in Teilen der Bevölkerung umkehrte und wie ein Bumerang mit der Aufschrift „Merkel muss weg” der Urheberin entgegenflog. Narrative können auch Trends verfestigen und Richtungen stärken. Insofern ist es gut, sie und ihre Verbreitung aufmerksam zu beobachten.