Taubenschlag fertig – Geburtenkontrolle im Rathaus
Stuttgart-Wangen … Wangen hat eine neue Attraktion. Eine, die man mit bloßem Auge jedoch nicht ohne Weiteres erfassen kann. Im Dach des Bezirksrathauses befindet sich jetzt ein Taubenschlag. Gute zehn Quadratmeter groß und reserviert für besondere Gäste – Tauben, die dort Futter und Wasser bekommen und Plastikeier „ausbrüten” dürfen (Foto oben). So funktioniert nämlich die Geburtenkontrolle bei Tauben. Und dafür braucht man Taubenschläge.
Der Taubenschlag in Wangen ist der zwölfte seiner Art in Stuttgarter Gebäuden. Einen weiteren gibt es in einem ausgebauten Bauwagen im Tierheim in Botnang; in Stuttgart-Rot steht auf dem Dach einer Senioren-Residenz ein kleines Taubenhaus. Die Idee zu dem „Hotel” mit 56 hölzernen „Appartements” an zwei Wänden sowie Stangen zum Sitzen und einer kleinen, abgetrennten Voliere, in der kranke Tauben aufgepäppelt werden, hatte Beate Dietrich. Die Wangener Bezirksvorsteherin bekennt, dass sie früher Tauben selber „eher als Plage” betrachtet habe. Zunehmende Klagen von Wangener Bürgern über Tauben und vor allem deren Hinterlassenschaften brachten sie dann zu den „Stadttauben Stuttgart”. Und als sie einen Film dieses seit zwölf Jahren aktiven, beim Stuttgarter Tierschutzbund angesiedelten Projektes gesehen hatte, kam ihr die Idee. Der inzwischen abgeschlossene Umbau des Bezirksrathauses am Wangener Marktplatz 1 eröffnete die Möglichkeit, einen Taubenschlag einzurichten. Am 3. Dezember wurde er der Presse vorgestellt.
Der Erstbezug des neuen „Hotels” ist erfolgt. Etliche Tauben wurden gezielt über das Rathaus-Treppenhaus und eine letzte Stiege in das neue Quartier gebracht, damit sie sich eingewöhnen. Das dauert einige Wochen. So lange bleiben die beiden Portale in den braunen Holzkästen unter dem Rathausgiebel noch verschlossen. Ende Januar soll dann geöffnet werden. In der Hoffnung, dass sich die neue Unterkunft dann langsam unter den Tauben „herum gurrt”. Bis zu 200 sollen irgendwann ein Domizil in Wangen finden können.
Betreut wird der Taubenschlag professionell und ehrenamtlich. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat sogar eine eigene Taubenmanagerin – Pia Jungbauer. Weil das Problem mit Stadttauben auch hier immer größer geworden ist, wurde beim Amt für öffentliche Ordnung eine Teilzeitstelle für das Thema geschaffen. Auf ehrenamtlicher Seite hat Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer den Hut auf. Sie ist Taubenbeauftragte beim Stuttgarter Stadttauben-Projekt, und man merkt ihr bei der Vorstellung des Wangener Taubenschlags an, dass dies für sie nicht bloß eine Funktion ist, sondern Leidenschaft.
Menschen, die diese Passion teilen und eine Aufgabe bei der Wangener Taubenbetreuung übernehmen mögen, dürfen sich gerne via eMail an silvie@brucklacher.com direkt mit ihr in Verbindung setzen. Ehrenamtliche Taubenpaten für den Taubenschlag in Wangen werden nämlich noch gesucht. Zum Start übernehmen zwei hauptamtliche Taubenwarte und ein ehrenamtlicher Taubenpate die Betreuung. Sie haben einen Schlüssel fürs Bezirksrathaus und suchen täglich – auch an Wochenenden und Feiertagen – den Taubenschlag auf, um ihn zu reinigen, die Tiere zu füttern und mit frischem Wasser zu versorgen. Der Taubenkot sei übrigens nicht – wie häufig befürchtet – gesundheitsgefährdend, erklären die Expertinnen. Gesammelt wird er im Wangener Rathaus in Säcken, die dann vom Hausmeister entsorgt werden.
Eine ganz wichtige Funktion der Taubenbetreuer(innen) ist es, gelegte Eier gegen Plastikeier auszutauschen. Dass die Tauben auf diese Weise „drangekriegt” werden, hat ein wichtiges Ziel: Geburtenkontrolle. Anders lässt sich die Überpopulation nämlich nicht auf tierfreundliche Weise eindämmen. Da der Mensch die Taube in seinem Wohnumfeld mehr oder weniger „domestiziert” hat, brütet sie im Durchschnitt fünf bis sieben Mal im Jahr ein Ei aus. Oder auch nicht, wenn es eins aus Plastik ist.
Dass ein Taubenschlag Dreck verursache, stimme übrigens nicht, räumt Beate Dietrich mit einem weit verbreiteten Vorurteil auf. Die Wangener Bezirksvorsteherin weiß aber auch, dass die meisten Taubenprobleme „hausgemacht” sind. Damit meint sie in erster Linie das Herumliegenlassen von Essensresten oder Katzenfutter – ein im wahrsten Wortsinne „gefundenes Fressen”. Taubenfüttern sei in Stuttgart übrigens verboten, mahnt Dietrich. Zuwiderhandlungen könnten mit bis zu 5.000 Euro sanktioniert werden. Da wird man doch besser Taubenpate im Wangener Bezirksrathaus…
Nähere Informationen zum Thema, Kontaktadressen und das Spendenkonto des Stuttgarter Stadttauben-Projekts findet man hier.
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