Von Deutsch und Mathe bis zu Lebensfragen

Ostfildern … „Geschichte erkläre ich gerne am Beispiel von Schlägereien auf dem Schulhof“, erzählt die Mentorin Sabine Schmithuisen (50). Seit 2016 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann Ingo (49) im Ostfilderner Mentoring-Projekt* aktiv (Foto: privat).

Bereits als 13-Jährige hatte sie begonnen, Nachhilfe zu geben, zunächst in Englisch, dann in Mathe und weiteren Fächern. „Mir sind die Leute immer zugelaufen“. Ähnlich läuft es auch beim Mentoring-Projekt der Bürgerstiftung, der Stadt und des Freundeskreises Asyl Ostfildern. Seit die Schmithuisens sich auf eine Suchanzeige in der Stadtrundschau gemeldet haben, haben rund 20 Geflüchtete mit ihrer Unterstützung ihren Weg in die Gesellschaft gefunden. Darunter sind ein KFZ-Mechatroniker aus dem Irak, ein Augenoptiker aus Afghanistan, drei Absolventinnen einer Berufsfachschule für Hauswirtschaft und Ernährung sowie für Gesundheit und Pflege aus Syrien, zum Teil ganze syrische Familien und aktuell drei Schülerinnen im Alter von 14 bis 20 Jahren aus Syrien. Zwei von ihnen besuchen ein Gymnasium, die dritte möchte im kommenden Schuljahr ins Gymnasium wechseln. Einige der Schülerinnen haben im Rahmen des Laptop-Projekts des Freundeskreises Asyl eigene Rechner erhalten. 

Zu Beginn war es ein wenig chaotisch, erzählen die beiden Elektrotechnikingenieure. Bis zu sieben Personen mit Deutschkenntnissen von A1 bis B1 wollten gleichzeitig lernen. Das konnte nicht funktionieren. So trennten sie die Gruppen und machten Stundenpläne, um allen gerecht werden zu können. Inzwischen haben die Schmithuisens einen eigenen Raum in ihrer Wohnung für die Mentees eingerichtet. Die Konzentration sei besser als beim Unterricht  zuhause bei den Familien.  Seit dem ersten Lockdown im März 2020 arbeiten sie nur über Skype; sie können Dokumente auf dem Bildschirm teilen und mit einem Grafiktablett Notizen machen. „Dies läuft sehr gut“, berichten sie. Allerdings sei seit Corona der Zeitaufwand für das Home-Schooling größer geworden. Da könne es dann auch mal heftig werden, meint Sabine Schmithuisen. Und mitunter geht es auch um die Bewältigung des Alltags oder um die Begleitung in Lebensfragen. Sie unterrichtet derzeit vier bis fünf Mal wöchentlich von 14 bis 17 Uhr. Ihr Mann ist dann nach seinem Arbeitstag von 18 bis 20 Uhr aktiv und hilft seiner Schülerin in Mathe und Wirtschaft. Es gab aber auch Zeiten, in denen sie täglich von 14 bis 20 Uhr und er von 16 bis 20 Uhr tätig war, um acht Mentees betreuen zu können.

Ihre Mentees seien „superneugierig, motiviert und mitunter sehr ehrgeizig“, erzählen die Schmithuisens. Da seien auch schon mal Tränen geflossen, als es „nur“ eine Zwei in Mathe war. „Es macht auch viel Freude“, ergänzt Ingo Schmithuisen, „diese Menschen zu kennen, ist eine wunderschöne Erfahrung“.

* Das Mentoring-Projekt wurde 2016 ins Leben gerufen, um Geflüchtete beim Integrationsprozess zu begleiten. Getragen wird das Projekt von der Bürgerstiftung Ostfildern, dem Freundeskreis Asyl und der Stadt Ostfildern. Neue Mentoren sind jederzeit willkommen. Diese bestimmen den Inhalt ihres Einsatzes und das zeitliche Engagement in Absprache mit dem Mentee. Die Koordinatorin Daad Lorenzschaut danach, dass die Chemie zwischen Mentor und Mentee stimmt. Das Projekt wird über das Programm „Menschen stärken Menschen“ des Bundesfamilienministeriums unterstützt. Wo es anfangs mehr um Soforthilfe in allen Lebensbereichen ging, sind heute Mentoren überwiegend bei Hausaufgabenhilfe für Schüler an Grund- und Sekundarschulen gefragt oder als Unterstützung bei den Vorbereitungen auf Prüfungen der Abschlussklassen. Interessierte wenden sich bitte an Daad Lorenz unter mentoring.buergerstiftung@outlook.de oder 0178 8255337. Mehr dazu hier.

Quelle: Freundeskreis Asyl Ostfildern.

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