Bezirksbeiratssitzung per Video – Pro und Contra

Stuttgart-Sillenbuch … Am 24. März fand zum ersten Mal im WILIH-Land eine Bezirksbeiratssitzung als Videokonferenz statt. Im Trausaal des Sillenbucher Bezirksrathauses saßen der Vize-Bezirksvorsteher Hans Peter Klein, drei Pressevertreter und zwei ehemalige Bezirksbeiräte als interessierte Bürger, um auf der Leinwand zu verfolgen, was der Sillenbucher Bezirksvorsteher Peter-Alexander Schreck aus seinem Amtszimmer, eine städtische Referentin aus ihrem Büro heraus und die Sillenbucher Bezirksbeiräte an ihren jeweiligen Computerkameras und -mikrofonen zu sagen hatten. Wie hat das funktioniert? Und ist das ein besseres Format als das klassische Treffen in einem Sitzungssaal? Gedanken über Pro und Contra.

Vorab eine schlechte Nachricht: Interessierte Bürger können solche Videokonferenzen nicht von zu Hause aus mitverfolgen. Warum nicht, erklärt der städtische Pressesprecher Niklas Junkermann: „Der Landesgesetzgeber hat in § 37a Abs. 1 Satz 4 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vorgegeben, dass bei öffentlichen Sitzungen die Öffentlichkeit durch Übertragung in einen für diese zugänglichen Raum erfolgt. Eine Zuschaltung in die Videokonferenz oder ein Livestream sind vom Gesetzgeber nicht vorgesehen; dem stünden im Übrigen sowohl kommunalrechtliche (derzeit hinsichtlich der Zuschaltung) als auch datenschutzrechtliche Vorgaben (generell) entgegen.”

Beiratssitzung per Video
Sitzungsteilnehmer fein säuberlich „gekachelt” an der Videowand …

Wer örtliche Politik live und in Farbe erleben möchte, muss also in den gewählten Übertragungsraum kommen. Wegen der Coronaregeln durften am 24. März in Sillenbuch maximal drei Bürger im Trauraum des Bezirksrathauses an der öffentlichen Sitzung teilnehmen. Weniger als zum Beispiel bei einer Präsenzsitzung in der bisher coronabedingt erwählten Turnhalle der Deutsch-französischen Grundschule Sillenbuch. Und auch weniger als bei den Sitzungen des Hedelfinger Bezirksbeirats, der während der Pandemiezeit in der Rohracker Kelter tagt, und bei den Sitzungen des Wangener Beirats, der in der Turn- und Versammlungshalle neben der Wilhelmsschule und in der Wangener Kelter geeignete Räumlichkeiten für Versammlungen mit vereinbarter reduzierter Präsenz und unter Einhaltung von AHA+L-Regeln zur Verfügung hat. In Sachen Öffentlichkeit also eher ein Minus für die Videokonferenz. Wenngleich man einwenden könnte, dass zu Bezirksbeiratssitzungen ja sowieso kaum jemand kommt – und in der Coronazeit erst recht nicht. Aber eigentlich sollten doch möglichst viele Bürger die Möglichkeit haben, das kommunalpolitische Geschehen zu verfolgen, oder?

Zusammengebrochene Videokonferenz
… und plötzlich in den unendlichen Weiten des Internets verschwunden

Für den Betrachter von Vorteil ist, dass er seine Lokalpolitiker alle schön im Vollformat und von vorne sehen kann. In Präsenzsitzungen sieht man oft nur Hinterköpfe. Und wer sein Mikrofon immer eingeschaltet hat, ist auch ganz gut zu hören. Wer allerdings nuschelt und sonst schon kaum zu verstehen ist, dessen Redebeiträge bleiben bei einer Videokonferenz weitestgehend auf der Strecke. Ungeschickt ist es auch, im rechten Winkel vorm Computer zu sitzen und ins Zimmer statt ins Mikrofon zu sprechen, dann ist man nämlich beim besten Willen überhaupt nicht zu verstehen. Schade! Insgesamt weder ein Plus noch ein Minus aus Sicht des Betrachters. Die Bezirksbeiräte und teilnehmenden Betreuungsstadträte mögen ein klares Plus bilanzieren, sie brauchen sich nämlich nicht – im Zweifel bei Wind und Wetter – zum Sitzungsort zu bewegen, sondern können gemütlich von zu Hause oder vom Büro aus konferieren.

Was den Unterhaltungswert betrifft, ist eine zusammenbrechende Videokonferenz natürlich nicht zu toppen. Zwar geht auch schon mal eine Präsentation im Sitzungsaal schief, wenn beispielsweise der Beamer nicht mitspielt oder die gezeigten Pläne auf dem Kopf stehen. Aber eine völlig unleserliche Präsentation und schließlich sogar noch ein kompletter Zusammenbruch mit begleitender hektischer Betriebsamkeit der Rathausmitarbeiterinnen, während ihr Chef von alledem offenbar nichts mitbekommt und in Seelenruhe eine Abstimmung abwickelt, das ist während einer Präsenzsitzung nicht ansatzweise denkbar. Bei heiklen Themen und knappen Mehrheitsverhältnissen ein Risiko am Rande der Anfechtbarkeit und damit ein klares Minus für das Videoformat!

Da der zeitliche und organisatorische Aufwand für das Team des Bezirksamts wohl eher größer ist als bei der Vor- und Nachbereitung einer „normalen” Bezirksbeiratssitzung, ist aus Steuerzahlersicht hier kein Vorteil zu vermuten.

Unser Fazit nach der Sillenbucher Premiere: Eine Videokonferenz ist möglich, aber für den Beobachter, der irgendwo in einem Sitzungssaal sitzt wie sonst auch, eher nachteilig. Überlegen wäre das Format gegenüber einer Präsenzsitzung, wenn jede(r) Interessierte die Konferenz am Ort seiner Wahl  via Internet live verfolgen dürfte. So lange dies nicht – siehe oben – zulässig ist, bleibt eine – momentan zwingend infektionsgesicherte – Präsenzsitzung das Mittel der Wahl.

Wer nichts Neues aus dem WILIH-Land verpassen möchte, kann WILIH auch abonnieren. Kostenlos natürlich. Wie das geht, erfahren Sie nach einem Klick hier. Und das dürfen Sie gerne auch weiterempfehlen.

 

Ein Gedanke zu „Bezirksbeiratssitzung per Video – Pro und Contra

  • Der erwähnte Satz in der Gemeindeordnung lautet: „Bei öffentlichen Sitzungen nach Satz 1 muss eine zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton in einen öffentlich zugänglichen Raum erfolgen.” Es steht nirgends, dass nicht zusätzlich eine Übertragung per Lifestream erfolgen darf.

Kommentare sind geschlossen.