Die Mehrheit muss den Mund halten

Stuttgart hat einen neuen Oberbürgermeister gewählt. Er heißt Frank Nopper und bekam im zweiten Wahlgang am 29. November, bei dem die einfache Mehrheit ausreichte, 42,3 Prozent der Stimmen. Marian Schreier kam mit 36,9 Prozent auf den zweiten Platz. Bei der Hauptwahl am 8. November, bei der zum Sieg die absolute Mehrheit notwendig gewesen wäre, ging Nopper ebenfalls als Erster durchs Ziel – mit 31,8 Prozent. Schreier war damals Dritter mit 15,0 Prozent. Was steckt hinter diesen Zahlen, wenn man die Wahlbeteiligung ins Kalkül zieht? Die lag im ersten Wahlgang bei 49,0 Prozent (zum Vergleich: 2012 waren es 46,7 Prozent), im zweiten waren es jetzt noch 44,6 Prozent der Stuttgarter, die ihre Stimme abgaben. Am 21. Oktober 2012, als Fritz Kuhn in der entscheidenden Neuwahl mit 52,9 Prozent zum Stadtoberhaupt gewählt wurde, lag die Beteiligung bei 47,2 Prozent. Interessant wird es, wenn man die Wahlbeteiligung nicht als Gesamtgröße und damit Indikator für das Bürgerinteresse im Allgemeinen an der Führung der Stadt sieht, sondern die Stimmenergebnisse der Kandidaten damit gewichtet. Dann sieht man, was die 42,3 % für Frank Nopper bedeuten: Ihn haben am 29. November 18,8 Prozent der Stuttgarter Wahlberechtigten zum Rathauschef gewählt. Im ersten Wahlgang waren es sogar nur 15,5 Prozent, die ihn sich – vor allen anderen – als neuen OB wünschten. Und: Marian Schreiers respektables Ergebnis von 36,9 Prozent im entscheidenden Wahlgang ist unter Berücksichtigung der Wahlbeteiligung nur noch 16,4 Prozent wert. Am 8. November wollten ihn – so gesehen – sogar nur 7,3 Prozent der Wahlberechtigten als neuen Stuttgarter OB haben. Die Nichtwähler stellten also wieder einmal die stärkste Fraktion. Das stellt aber die Resultate des neuen Oberbürgermeisters und der anderen Bewerber keinesfalls in Frage. Im Gegenteil: Wer nicht gewählt hat, der hat seine Chance vertan und muss nun acht Jahre den Mund halten und ertragen, wen beziehungsweise was die anderen wählten. Die Lizenz zum Meckern erwirbt man nämlich nur durchs Wählen.

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