Für welche „Früchtchen” Hedelfingen bekannt war

Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer beim Stöbern in historischen Fotos
Hans-Peter Seiler (links) und Michael Wießmeyer beim Stöbern in ihrem Archiv

Lebendige Ortsgeschichte (Folge 3). Historisches aus und über Hedelfingen – unterhaltsam erklärt von Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer, [post_published] … Über Hedelfingen gibt es viel zu erzählen. Besonders gut und gerne tun dies der ehemalige Hedelfinger Bezirksvorsteher Hans-Peter Seiler und Hedelfingens Ortshistoriker Michael Wießmeyer. Seit Jahren begeistern die beiden Hedelfingen-Fans bei Vorträgen und Führungen ein stetig wachsendes Publikum mit ihren Geschichten über die Geschichte des vor hundert Jahren von Stuttgart eingemeindeten Neckarvororts. WILIH veröffentlicht hier eine Serie mit vielen interessanten Blicken auf die Historie Hedelfingens. In loser Folge wollen die Geschichten-über-Geschichte-Erzähler Seiler und Wießmeyer an dieser Stelle Lust auf Hedelfingen machen.

Heute mit einem Beitrag über die Riesenkirsche und die Knausbira – Letztere gibt den Hedelfingern bis heute ihren Necknamen.

Riesenkirsche und Knausbira – Für welche „Früchtchen” Hedelfingen bekannt war

Die Hedelfinger Riesenkirsche, auch Wahler Kirsche, Spiegelkirsche, Nußdorfer Schwarze, Abels Späte, Froschmaul, Glemser, Bigarreau von Oerdingen oder auch kurz Hedelfinger genannt, ist eine Süßkirsche aus Deutschland. Sie gehört zu den Knorpelkirschen. Die Sorte Hedelfinger Riesenkirsche ist um 1850 in Hedelfingen als Zufallssämling entdeckt worden. Sie ist eine der häufigsten Kirschsorten und wird vor allem in Deutschland, aber auch in Frankreich, Österreich, Ungarn und den USA angebaut. 

Abbildung einer Hedelfinger Riesenkirsche in einem Buch aus dem Jahr 1912
Abbildung aus dem Buch „Unsere besten Deutschen Obstsorten“ von 1912, Verlag Bechtold & Comp. Wiesbaden, Verlag von Werken über Obst- und Gartenbau sowie Obstverwertung – fotografiert und zur Verfügung gestellt vom Förderverein Altes Haus Hedelfingen.

Der Baum ist sehr starkwüchsig, gesund, widerstandsfähig und sehr anpassungsfähig und daher sowohl für sonnige als auch für kühle Lagen geeignet. Die Steinfrucht ist mittelgroß bis groß, oval und herzförmig, bei einem Gewicht bis zu etwa 13 Gramm. Die für Knorpelkirschen typische zähe und mattglänzende Haut wechselt mit der Reifung ihre Farbe. Das Fruchtfleisch ist fest, knackend und saftig bei zunächst hellroter und je nach Reifegrad immer dunkler werdender Farbe – zuletzt beinahe schwarz. Man könnte auch sagen, einfach eine große, knackige, wohlschmeckende Kirsche. Vor 170 Jahren eine Sensation!

Hedelfingen ist seit Jahrzehnten bekannt für seinen Obstanbau. Der Obst- und Gartenbauverein Hedelfingen hat früher jährlich eine entsprechende Ausstellung gezeigt. Stolz präsentierten die Landwirte, ob im Haupt- oder Nebenerwerb, ihre Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Beeren aller Art. Der weit über Hedelfingen hinaus bekannte Birnenzüchter Gottlieb Binder war zu dieser Zeit über lange Jahre zweiter Vorstand des Vereins.

Damals kaufte der Verein einen Garten in der Gemarkung Seeacker (Hafen) der, wie schon sein Vorgänger, zum reinen Erwerbstobstbaumgarten ausgebaut wurde. Verkauft wurde das Obst am Haus oder auf den Märkten der Umgebung und auf dem Stuttgarter Markt. Heute sieht man nur noch selten einen kleinen Tisch vor dem Haus, auf dem die Ware präsentiert wird. Das Geld wird in den Briefkasten geworfen oder in ein aufgestelltes Kässle.

Knausbira Meisterstück von Thomas Bachmann
Thomas Bachmanns Meisterstück, die Knausbira am Bezirksrathaus Hedelfingen

Der Tafelobstbau in Hedelfingen zeichnete sich besonders durch seine qualitativ hochwertigen Tafelbirnen aus. Legendär ist die Hedelfinger Knausbira. Um sie rankt sich sogar eine Legende, die alteingesessene Hedelfinger gerne zum Besten geben. So gab die Knausbira den Hedelfingern auch ihren Necknamen. Sogar ein Wanderweg ist nach der Knausbira benannt (hier wird auch die Legende in Kurzform wiedergegeben). Am Bezirksrathaus Hedelfingen an der Heumadener Straße erinnert eine Birne noch heute an diese Geschichte. Geschaffen wurde sie von Thomas Bachmann, der sie im Rahmen seiner Prüfung zum Flaschnermeister fertigte.

Bis in die heutige Zeit sind in Hedelfingen und Rohracker jeweils eine Weingärtnergenossenschaft (WG Hedelfingen und Steilwerk Rohracker) sowie Obst- und Gartenbauvereine aktiv (OGV Hedelfingen und OGV Rohracker). Sie halten die Kultur des Wein- und Obstanbaus aufrecht. Spaziergänge entlang mit Natursteinmauern terrassierter Weinberge werden zum unvergesslichen Naturerlebnis in einer einzigartigen Kulturlandschaft von Stuttgart. Einmal im Jahr – immer am Muttertag – laden die Weingärtnergenossenschaften zum Weinwandertag ein – abwechselnd auf die Hedelfinger und Rohracker Route.

Das Beitragsfoto oben zeigt zwei Wagen, mit denen der Obst- und Gartenbauverein Hedelfingen 1962 am Volksfestumzug teilgenommen hat. Die Autos gehörten Hermann Jung und Alfred Binder sen. Die Transparente schrieb Waltraud Bücheler. Die Information entstammt dem Jahresbericht des damaligen Vorstands Paul Bücheler.

WILIH dankt Hans-Peter Seiler und Michael Wießmeyer für diese Geschichte. Die historischen Fotos und Dokumente stammen aus dem Fundus des Alten Hauses Hedelfingen.

Nächstes Thema dieser Serie: Stadtautobahn ohne Tempolimit – Wie sich die B 10 auf Hedelfingen ausgewirkt hat

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