Neckar-Konzeptstudie an Wangener Realität vorbei?

Stuttgart-Wangen … Das Städtebau-Institut der Universität Stuttgart und das Amt für Stadtplanung und Wohnen der Stadt Stuttgart haben ein Konzept entwickelt, mit dem Räume aufgezeigt werden sollen, die Stuttgarts notleidende Beziehung zum Neckar entwickeln und dem Ziel „Stadt am Fluss” dienen sollen. Für Wangen werden Ideen rund um die Otto-Konz-Brücken skizziert. Am 19. April wurde die nun fertige Konzeptstudie mit dem Namen WECHSEL in der öffentlichen Sitzung des Bezirksbeirates vorgestellt. Sie wirft Fragen auf.

Die vom Bundesforschungsministerium geförderte Studie knüpft an Veränderungen in der Stuttgarter Energieversorgung an und blickt bis ins Jahr 2050. Die Stadt sieht die zwischen 2017 und 2019 erarbeiteten Grundlagen „mit bestehenden städtischen Planungen in Einklang”. Das stimmt für Wangen so nicht. Im Bezirksbeirat wurde dies kritisiert.

Zwei an die Otto-Konz-Brücken angrenzende Stadträume wurden im Rahmen der interdisziplinären Studie betrachtet, der Bereich vom Autohof bis zum AWS-Betriebshof an der einen Seite der Hedelfinger Straße sowie das Areal von OBI bis Kodak-Campus an der anderen Seite. In der Konzeptbeschreibung der Stadt zum „größeren Ganzen” ist von einem „stufenweisen Zielfindungsprozess” die Rede. Es sollten „Ideen und Lösungsansätze aus gesamträumlicher Sicht” eingebracht werden, heißt es. Gleichzeitig solle „genügend Flexibilität für die laufende Weiterentwicklung erhalten” bleiben.

Vor dem Hintergrund der gewählten Perspektive 2050 legten vor allem die Bezirksbeiräte Marijan Laszlo (CDU) und Niels Clasen (Die FrAKTION) den Finger in eine offensichtliche Wunde der Konzeptstudie: die Konkurrenz zur aktuellen Entwicklung. Am Autohof sind ein Hotel und ein neues Verwaltungsgebäude entstanden, weiterführend wurde für dort gerade über ein Urban Sandwich nachgedacht. Der städtische Abfallbetrieb AWS baut einen neuen Betriebshof, der Neubau des Jugendhauses B10 sieht seiner Eröffnung entgegen, und die Planung für die Sanierung der Wilhelmsschule läuft. Zudem soll in diesem Sommer die Einrichtung der Hauptradroute 2 starten, wie in derselben Bezirksbeiratssitzung am 19. April aus dem Tiefbauamt zu hören war – und zwar mit dem Bau von zwei Kreisverkehren an den Otto-Konz-Brücken. Welchen Raum hat man man da in den nächsten 30 Jahren noch für die Weiterentwicklung dieses Areals?

Auch für die OBI- und Kodak-Seite werfen die neuen Ideen Fragen auf. So mag die Vorstellung eines „Stadtplatzes” auf dem Kodak-Areal attraktiv erscheinen. Auch über eine Verdichtung und Aufstockung des OBI-Geländes mag vor dem Hintergrund der Wohnungsnot vielleicht nachgedacht werden. Doch: Welche Motivation dürften die Grundstückseigentümer haben, in den kommenden dreißig Jahren in dieser Richtung tätig zu werden? Zu alledem: Hinter OBI und Kodak liegt der Berg und nicht der Neckar.

Den aufzuwerten, indem man ihn endlich als Fluss erlebbar werden lässt, liegt vielen Anrainern – auch in Wangen – schon lange am Herzen. Jean-Louis Servant brachte es auf den Punkt, als er überspitzt den Neckar als eine eingemauerte Wasserstraße beschrieb, in die man hineinfallen könne, um zu ertrinken. Für ihn habe der Neckar der Zukunft flache Ufer, wie es sich für einen „lebendigen Fluss” gehöre, meinte der CDU-Bezirksbeirat.

Einzig die Idee, die B10 zu überdeckeln, fand in Wangen Gefallen. Da käme wahrscheinlich auch aus Hedelfingen Applaus. Allerdings könnten sich die Wangener und Hedelfinger wohl sogar für eine längere Strecke als bloß entlang des Westkais erwärmen. Ebenso für wirklich von der Bevölkerung zu nutzende Streifen entlang des Neckars. Da könnten sich dann auch – wie es in einem Zielbild der Studie heißt – Werkbank und Wengerter treffen.

Foto oben: Stadt am Fluss? Wo ist denn hier der Neckar?

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