Urban Sandwich – Stuttgart stapelt bei Gewerbe hoch
Stuttgart-Wangen, 16. März 2021 … In vielen Gewerbegebieten ist die Versiegelung hoch, die Grundstücksausnutzung niedrig. Riesige Parkplätze, eingeschossige Hallen oder brachliegende Flächen sind keine Seltenheit. Deshalb haben sich die Stuttgarter Stadtentwickler Gedanken über eine mögliche Steigerung der Flächeneffizienz gemacht.
Ihr Ansatz heißt „Urban Sandwich” und hat die Stapelung gewerblicher Nutzungen durch Aufstockung oder Überbauung von Freiflächen sowie Gewerbebauten zum Ziel. Drei idealtypische Areale für die Ideenentwicklung hat man in Wangen gefunden. Am 15. März wurde in der ersten öffentlichen Bezirksbeiratssitzung dieses Jahres in der Wangener Kelter darüber gesprochen.
Was jetzt aus der Stuttgarter Ideenschmiede kommt, ist noch weit von einer möglichen Umsetzung entfernt. Es gehe um Perspektiven und um ein neues Denken, machte Hermann-Lambert Oediger den Wangener Bezirksbeiräten klar. Und nicht um konkrete Bauvorhaben. Immerhin hat es Gespräche mit den betroffenen Grundstückseigentümern gegeben, die laut Oediger zwar nicht „spontan an einer Umsetzung interessiert” seien, sich aber „grundsätzlich interessiert” gezeigt hätten. Ein wenig Eigenlob mochte sich der Leiter der Abteilung Stadtentwicklung im Amt für Stadtplanung und Wohnen nicht verkneifen: Die Angesprochenen seien überrascht gewesen von der städtischen Initiative und den aufgezeigten Perspektiven.
Zu den fünf Gewerbestandorten, an denen die Stadtentwickler sich eine „vertikale Nachverdichtung” vorstellen können, gehören der Autohof, das VEBA-Areal und das R. Stahl-Areal in Wangen. Je ein weiteres untersuchtes Gebiet befindet sich in Bad Cannstatt und in Feuerbach. Die Standortfrage spiele aber keine Rolle, meinte Hermann-Lambert Oediger. Entscheidend sei gewesen, bestimmte Typen von Arealen zu finden, für die eine Stapelung aufzuzeigen sei.
Der Autohof – Gewerbestandort mit großen Logistik-, Rangier- und Parkierungsflächen
Der zur SVG gehörende Autohof an den Otto-Konz-Brücken (Foto oben) dient zu 76 Prozent dem Lagern, Rangieren und Parken vor allem von Lastwagen. Außerdem befinden sich ein Verwaltungs und Seminargebäude der SVG (derzeit im Neubau), zwei Tankstellen, ein gerade fertiggestelltes neues Hotel, ein Reifenhandel sowie eine SB-Waschanlage auf dem Gelände. Und jede Menge Parkplätze. Laut Ergebnisbericht sind nur 13 Prozent der maximal möglichen Baumasse beziehungsweise 17 Prozent der maximal möglichen Geschossflächen derzeit genutzt.
Entwicklungspotenziale werden in einem „Hybrid Auto-Gewerbehof” in Form von über dem LKW-Parkplatz aufgeständerten Hallen mit Lagerflächen für Handwerksbetriebe sowie in einem „Logistikzentrum der Zukunft” gesehen. Letztes wäre als zweigeschossig den Parkplatz überbauender „Logistik-Hub” denkbar; dieser könnte 17.000 Quadratmeter zusätzliche Fläche für zum Beispiel ein Boarding House, Fitnesscenter, Restaurant und Seminarräume bieten.
Im Vorfeld der Wangener Bezirksbeiratssitzung hatte Die FrAKTION in einem offenen Brief an Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold massive Kritik an einer Überbauung des Autohof-Geländes geübt.
Das VEBA-Areal – Gewerbestandort mit Gewerbehallen und großen Parkierungflächen, offene Bebauung
Das an der äußeren Ulmer Straße vor dem Großmarkt gelegene Gewerbeareal erstreckt sich vom Autozubehörhandel mit Werkstattbetrieb A.T.U. bis zur Autowaschhalle am Langwiesenweg. Es wird für großflächigen Möbelhandel, Discounter, Schnellrestaurant, Handels- und Handwerksbetriebe sowie für große Parkplatz- und Lagerflächen genutzt. Der Auslastungsgrad liegt zur Zeit bei elf bis 34 Prozent der maximal möglichen Baumasse beziehungsweise acht bis 27 Prozent der maximal möglichen Geschossfläche.
Zu entwickeln wären laut Stadt dort ein „Gewerbequartier mit Quartiersplatz” – sukzessive realisierbar durch Aufstockungen und Parkplatzüberbauten – sowie ein Szenario „Vom Gewerbegebiet zum Gewerbequartier” mit einem deutlichen Schwerpunkt bei der Schaffung von Grünflächen, öffentlichen Plätzen, Treffpunkten und Sportanlagen.
Das R. Stahl-Areal – Gewerbestandort mit Hallenstruktur, hochwerige Gebäudesubstanz
Das Eckgelände an der Ulmer Straße und dem Viehwasen befindet sich im Eigentum eines einzigen Eigentümers und ist zum Teil mit über hundert Jahre alten Mauerbauwerken bebaut. Angesiedelt sind hier vor allem die Malteser, Büros, Dienstleistungsbetriebe, produzierendes Gewerbe und Lagerflächen sowie das Kulturhaus Arena. Die Freiflächen sind laut städtischem Berichtsband fast komplett versiegelt und werden zu 40 Prozent für Parkierung und Lieferverkehr genutzt. Immerhin 46 Prozent der maximal möglichen Baumasse sind ausgenutzt, aber nur neun Prozent der maximal möglichen Geschossfläche.
Die Entwicklungsvariante „Aufstockung und Vollüberbauung” setzt auf eine zwei- bis dreistöckige Überbauung der massiv gebauten zentralen Halle für Verwaltungs- oder Handwerksnutzungen sowie einen dreigeschossig skizzierten, flexibel nutzbaren „neuen Stadtbaustein” an der Ulmer Straße neben dem bestehenden Hochhaus. Eine zweite Idee sieht eine Teilüberbauung der zentralen Alt-Halle mit „markantem Kopfbau” zur Ulmer Straße hin vor – denkbar als Event-Location – sowie eine Gebäudeergänzung für Zielgruppen wie Start-ups, innovative Firmen oder High Tech-Betriebe.
In der Diskussion regte Grünen-Bezirksbeirat Gerhard Föll an, dass die Stadt bei ihren Gedankenspielen auch „in die Tiefe stapeln” solle, also gerade bei Gewerbegebäuden nicht auf Keller verzichten solle, die zum Beispiel für Technikräume genutzt werden könnten. Niels Clasen (Die FrAKTION) erinnerte an seine Autohof-Kritik (siehe oben) und mahnte die Einbeziehung von Anwohnern in ein solches Planungsverfahren an. Und Jean-Louis Servant (CDU) hatte die Übertragbarkeit solcher Überlegungen auf andere Standorte im Blick.
Das PDF des Ergebnisberichts „Urban Sandwich” lesen Sie hier: Abschlussbericht_Urban_Sandwich_2020
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