Rücktrittsgedanken

Wer ist eigentlich noch im Amt? Nach einer Serie von spektakulären Rücktritten muss diese Frage erlaubt sein. Wobei im Einzelfall zu definieren wäre, was „zurücktreten“ eigentlich bedeutet. Man kann nämlich zurücktreten, um jemanden zu treffen, der einen zuerst getreten hat. Oder man kann zurücktreten in dem Sinne, dass man einen Schritt rückwärts macht, um nicht im Vordergrund zu stehen. Und man kann von einem Amt zurücktreten. Das kann auch eines sein, in das einen ein anderer sozusagen hineingetreten hat. Weil man es nicht gewollt hat, kein anderer da war oder in der Absicht, einem unliebsamen Nebenbuhler die „Chance“ zu bieten, sich mal so richtig zu blamieren. Da ist Thomas Kemmerich, der Kurzzeitministerpräsident von Thüringen. Dessen Rücktritt kam allerdings wenig überraschend, außer vielleicht für ihn selbst. Und wäre ganz sicher zu vermeiden gewesen, wenn er zuvor gar nicht erst angetreten wäre. Kemmerichs Rücktritt ist mit dem der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) in zweierlei Hinsicht verwandt. Zum einen sind ihre Schicksale unmittelbar mit dem Thüringer Chaos verbunden. Zum anderen handelt es sich in beiden Fällen erst einmal um eine Ankündigung, bald, demnächst, zu gegebener Zeit zurückzutreten. Also nicht wirklich freiwillig. Anders Jürgen Klinsmann, dessen Rücktritt als Trainer von Hertha BSC für die Clubbosse und Spieler so überraschend kam wie für die Führung der ehemaligen DDR der Mauerfall. Beim VfB, bei dem er vor Monaten noch für eine Führungsposition gehandelt wurde, dürfte man froh sein, dieser Idee nicht nähergetreten zu sein.

Rundgeschaut … Die Seite 3 Kolumne aus dem WILIH … 19.2.2020