Stadt setzt Plan durch – Kelterplatz als Stadtwald?

Stuttgart-Wangen, [post_published] … Der Bereich vor der Wangener Kelter soll nun doch in einen Platz mit Parkcharakter und einem dreireihigem Baumquartier umgewandelt werden. Der Bezirksbeirat hatte diesem Plan der Stadt Stuttgart für den Kelterplatz im Januar eine Allee mit zwei Baumreihen als eigenen Entwurf entgegengestellt. Nachdem die Stadt Entgegenkommen bei den Parkplätzen sowie bei einer Reihe von Gestaltungsdetails zeigte, gab der Bezirksbeirat am 17. Oktober bei nur einer Gegenstimme (FDP) aber doch grünes Licht für die Weiterplanung auf Basis der städtischen Vorstellungen. Dabei ließ er sich von einer Skizze (oben) begeistern, die Erwartungen weckt. Was daraus werden kann, hängt in hohem Maße von der Auswahl der Bäume ab.

Stadt will auch den Durchfahrtsverkehr verlangsamen

Zur Vorgeschichte: Eine Umgestaltung des Keltervorplatzes ist ein langgehegter Wunsch in Wangen. Vor allem, weil er seit Jahren eine wenig attraktive Stellfläche für alles Mögliche ist. Doch selbst nach der Sanierung der Kelter ging der Wunsch nicht in Erfüllung. Immerhin wurde der Platz hinter der Kelter neu geordnet. Für vorne fehlte aber das Geld.

Das Entwicklungsprojekt TransZ brachte den Keltervorplatz wieder auf die Agenda. Pünktlich mit dem Abschluss von TransZ lag dann endlich eine Grobplanung vor. Darin schlug die Stadt vor, mit einer Vielzahl von Bäumen dem Platz vor Wangens guter Stube einen völlig neuen Charakter zu verleihen. Damit ging die Idee einher, den Verkehr auf der inneren Ulmer Straße deutlich zu verlangsamen. Gedacht wird an Tempo 20.

Vor allem die ursprünglich angedachte Entfernung von Parkplätzen vor den Geschäften gegenüber der Kelter missfiel dem Bezirksbeirat aber. Deshalb entwickelte er ein eigenes Konzept mit mehr Parkständen und weniger Bäumen. Die Stadtbezirksparlamentarier wollten auf eine von drei Baumreihen verzichten und sahen die Ulmer Straße vor der Kelter eher als Allee.

Bezirksbeirat nun doch für städtischen Plan mit drei Baumreihen

Eine Reihe von Details schrieben sie auf eine Wunschliste, die die Stadtgestalter in den vergangenen Monaten abarbeiteten. Vieles ist inzwischen eingearbeitet, manches wurde zumindest geprüft, und auch bei der erneuten Besprechung der Pläne in der öffentlichen Sitzung des Wangener Bezirksbeirats am 17. Oktober wurden noch einige Zugeständnisse gemacht. Offen ist noch die Frage, wie der Maibaum künftig aufgestellt werden kann.

Schließlich wurde förmlich über die Vorschläge abgestimmt, alles genau protokolliert und einiges von den Stadtplanern „mitgenommen”. Überraschend war angesichts der Vorgeschichte dann aber doch das nahezu einmütige Okay zu den Plänen der Stadt mit drei Baumreihen. Zumal noch völlig unklar ist, welche Bäume vor der Kelter gepflanzt werden sollen. Hat der Bezirksbeirat damit das Heft des Handelns aus der Hand gegeben?

An der Baum-Frage hängt nämlich vieles. Die Skizze der Stadtgestalter sieht zwar hübsch aus, entspricht aber teilweise nicht ganz der strengen Wirklichkeit des Stadtplans. Der Abstand zwischen Kelter und gegenüberliegenden Geschäftshäusern einschließlich Straße, Parkplätzen, Keltervorplatz und Gehwegen beträgt 25 Meter – etwas mehr als die Handskizze vermuten lässt. Geht man davon aus, dass die Straßenbäume ein Lichtraumprofil von 4,5 Metern benötigen – was die Stadt Stuttgart auf ihrer eigenen Webseite vorschreibt (siehe hier) –, dann sollen die Bäume insgesamt über 15 Meter hoch sein – und ihre Kronen dementsprechend fast elf Meter hoch sowie 7,5 Meter breit.

Auf dem maßstabsgerechten Stadtplan haben die Planer aber Bäume ungenannter Höhe mit einem Kronendurchmesser von fünf Metern eingezeichnet. Dadurch haben diese einen deutlichen Abstand voneinander, anders als auf der Skizze, die Kronen ohne Abstand und damit das geplante Baumdach wiedergibt. Welche Baumsorte sich die Stadt vorstellt, wussten die Stadtgestalter auf Nachfrage jetzt nicht zu sagen. Es ist auch nicht ihr Metier. Deshalb verwiesen sie auf das Gartenamt. In die Diskussion geworfen wurde immerhin der Schnurbaum.

Baum ist nicht gleich Baum

Falls wirklich ein kleiner Stadtwald vor der Kelter gewollt ist, stellt sich sofort die Frage, ob beziehungsweise zu welchem Preis es Bäume gibt, die in dieser Größe gepflanzt werden können. Oder werden sehr viel kleinere Bäume gesetzt, die dann aber Jahrzehnte wachsen müssen, um das skizzierte Bild zu ergeben? Zudem spenden sie dann natürlich auch erst einer Folgegeneration den Schatten, den die Stadtgestalter den Wangener Bezirksbeiräten jetzt als wichtigen Pluspunkt ihres Entwurfs genannt haben. Unklar auch: Wie groß müssen die Pflanzgruben sein, wie die Baumscheiben? Müsste vielleicht sogar die Fahrbahn aufgegraben werden? Immerhin wurden schon die Leitungen im Untergrund überprüft – angeblich steht den Pflanzplänen von daher nichts im Wege.

Baum ist nicht gleich Baum. Grüne Baumkronen bestimmen nur im Sommerhalbjahr das Straßenbild, ein halbes Jahr lang sind die Kronen von Straßenbäumen kahl. Laubbäume blühen auch mal, können mitunter Allergiker belästigen, verursachen zumindest gelegentlich Dreck, können parkende Autos verschmutzen und sorgen im Herbst für ordentlich Biomasse in Form herabfallender Blätter, die von der Straßenreinigung zeitnah zu entfernen sind, damit niemand darauf ausrutscht. Und es gibt sogar Bäume, die unangenehme Gerüche verbreiten.

Bäume haben es nicht leicht. Straßenverkehr, Abgase und Klimaeskapaden verursachen ihnen Stress. Zu bedenken sind bei Pflanzplänen von vornherein die standortbedingten Witterungseinflüsse  sowie Anforderungen an Bewässerung, Düngung, Pflanzenschutz, Schnittmaßnahmen und vieles mehr. Dies alles erfordert ein solides Pflegekonzept. Sonst bleibt die erwünschte Aufenthaltsqualität nämlich ein frommer Wunsch.

Gartenamt jetzt sofort einschalten!

Dies alles spricht überhaupt nicht gegen Bäume auf dem Keltervorplatz. Und dem Wangener Bezirksvorsteher ist uneingeschränkt zuzustimmen, dass öffentliche Plätze auch eine soziale Funktion haben – weswegen sie einladend sein und eine angenehme Aufenthaltsqualität bieten sollten. Aber gerade deshalb hängt vieles von einer sorgfältigen Auswahl der zu pflanzenden Bäume ab. Darum ist diese Frage kein Detail, das man später noch klären kann. Die Expertise des städtischen Gartenamts ist jetzt gefordert, bevor weiter geplant wird. Damit die Planung des Keltervorplatzes nicht in eine Richtung abdriftet, die spätere Enttäuschungen programmiert. Denn dann wäre der Frust groß.

Die Skizze oben (Quelle: Stadt Stuttgart, Bezirksamt Wangen) zeigt den Querschnitt der Ulmer Straße mit zwei Baumreihen vor der Kelter (links) und einer Baumreihe an der gegenüberliegenden Straßenseite mit Parkplätzen und Geschäften in Wangen. Der gelb schraffierte Bereich markiert das 4,5 Meter hohe Lichtraumprofil unter den Baumkronen.

WILIH-Tipp … Wer sich mit dem Thema Straßenbäume näher beschäftigen möchte, findet viele Informationen in der Broschüre „Berliner Standards für die Pflanzung und die anschließende Pflege von Straßenbäumen” (Stand: April 2022) als PDF hier.


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