Wirklich nur die Lunge?

Man muss kein Virologe zu sein, um Zweifel an der Annahme zu hegen, das Coronavirus befalle nur die Lunge. Manchmal gerät man ins Grübeln, ob nicht auch das Hirn Schaden nehmen könnte. Beispielsweise wenn eine in vielfältiger Weise sozial und ehrenamtlich tätige mehrfache Großmutter wütend berichtet, dass sie die Wohlstandsprobleme nur mittelbar coronageplagter Mitmenschen nicht mehr versteht. Weil etwa Väter von Kindergartenkindern plötzlich ein überholt geglaubtes Weltbild reaktivieren und jungen Frauen das Recht auf Beruf und Karrere streitig zu machen beginnen – da ihnen nach eineinhalb Monaten Homeoffice und Homeschooling die eigene Famlile auf den Keks geht. Oder wenn Eltern einem Lehrer nach Erledigung aller Vorarbeiten überraschend die Einwilligung zum Internet-Unterricht ihres Sprösslings wieder entziehen – aus Gründen des Datenschutzes. Wie bitte? Datenschutz zwischen Lehrer und Schüler? Wieviel Datenschutz genießt der Schüler denn, wenn er seinem Lehrer direkt gegenübersitzt – vor Corona sogar ohne Gesichtsmaske? Vielleicht ist den besorgten Eltern nicht klar, dass dies ihr Kind vor allem vor den Daten schützt, die es benötigt, um irgendwann einen ordentlichen Schulabschluss zu schaffen und die es in diesen Wochen nicht anders als übers Internet bekommen kann – Daten in Form von Texten und Erklärungen, Inhalte der sogenannten Bildung. So weit, so schlimm. Noch schlimmer: Unter solchem Egoismus leidet womöglich der ganze Rest der Klasse gleich mit! Hoffentlich haben dieselben Eltern ihrem Unmut nicht durch einen Motzbeitrag in einem asozialen Netzwerk Luft gemacht – hübsch illustriert mit Fotos von der heimischen Corona-Idylle und einmal rund um die Welt geschickt! Die Corona-Krise ist für viele eine echte Herausforderung. Sie ist aber auch ein Gewinn. Denn sie bringt das Ergebnis unserer gesellschaftlichen Entwicklung zum Vorschein. Ganz ohne Datenschutz.

Rundgeschaut … Die wöchentliche WILIH-Kolumne