Heumaden-Süd – Stadt plant massive Nachverdichtung

Stuttgart-Heumaden … Der Stadtteil Heumaden soll auf seiner Südseite städtebaulich weiterentwickelt werden. Der Prozess, der 2018 durch die Standortsuche der Freien Aktiven Schule (Hoffeld) ausgelöst wurde, mündet nach einer Bürgerbeteiligung nun in ein Konzept mit unerwartet weitreichenden Folgen für den Stadtbezirk Sillenbuch. Insbesondere: Die Lücke zwischen Riedenberg und Heumaden „Über der Straße” soll dicht bebaut werden.

Die Stadt bittet jetzt um das Plazet der Politik, weiterplanen zu dürfen. Doch der Sillenbucher Bezirksbeirat gab am 21. Februar 2024 ziemlich deutlich Bedenken zu Protokoll. Soll dennoch wie vorgesehen am Mittwoch (28.2.2024) im zuständigen Ausschuss des Stuttgarter Gemeinderats darüber ein Beschluss gefasst werden? Ist das Konzept der Stadt dafür schon reif genug?

Asyldorf wird auf 280 Wohnplätze erweitert

Überlagert werden die langfristigen Entwicklungspläne der Stadt Stuttgart von einem in diesen Tagen neu eingebrachten Vorschlag zur Neugestaltung des Heumadener Asyldorfes. Dort sollen marode Gebäude abgerissen und durch Wohnmodule ersetzt und ergänzt werden. Dort sollen dann vorübergehend bis zu 280 Geflüchtete wohnen, ungefähr doppelt so viele wie jetzt. Wie lange dieses Interim benötigt wird, lässt sich angesichts der bestehenden Notlage nicht absehen.

Das Asyldorf (Foto oben) ist zentraler Bestandteil des Planungsgebiets Schwarzäcker, das die Stuttgarter Stadtplaner zu einem „Miteinander-Quartier” entwickeln wollen. Geplante Realisierung: frühestens ab 2031. Langfristiges Wohnen und Anschlusswohnen für Geflüchtete werden explizit als Ziele genannt – unabhängig von der jetzt zusätzlich ins Spiel gebrachten Ersatzbebauung mit Modulbauten nach Hedelfinger Vorbild.

Sozialwohnungen für mehr als 1.000 Menschen geplant

730 Wohneinheiten für 1.680 neue Einwohner stellen sich die Planer der Landeshauptstadt perspektivisch entlang der Kirchheimer Straße zwischen Riedenberg und Heumaden „Über der Straße” vor. 70 Prozent davon Sozialwohnungen auf überwiegend städtischen Grundstücken. Zum Vergleich: Im gesamten Stadtteil Heumaden leben derzeit rund 9.700 Menschen, davon rund 2.000 im Wohngebiet „Über der Straße”. Ein Streitpunkt in diesem Zusammenhang ist die geplante Bebauung des heutigen Demeter-Ackers an den Schwellenäckern. Für Hundesportplatz und Gewerbeareal hat die Stadt derzeit keine Alternative anzubieten.

Die weitere Planung eines „Miteinander-Quartiers” soll in drei Schritten erfolgen. Nach einem „Beteiligtenworkshop” mit Vertretern aus der Stadtverwaltung und „betroffenen Akteuren aus der Bürgerschaft”, Gutachten und Voruntersuchungen sowie eventuellen weiteren Beteiligungsformaten soll schließlich ein Architektenwettbewerb ausgelobt werden. Vor einer Realisierung müssen zudem Bebauungs- und Flächennutzungsplan geändert werden. Deshalb ist vor 2031 nicht mit einem Baubeginn zu rechnen. Zumal offen ist, wann und wieviele Mittel dafür in den städtischen Haushalt einzustellen sein werden.

An der „Bernsteinwiese” könnte es schnell gehen

Den Nordrand der umstrittenen „Bernsteinwiese” sieht man bei der Stadt nach wie vor als erste Adresse für einen zweigeschossigen Kita-Neubau. Ein bereits jetzt vorhandener Bedarf für sechs Kindergartengruppen sowie vorhandenes Planungsrecht sind die zentralen Argumente für einen baldigen Bau. Noch in diesem Jahr könne mit einem Architektenauswahlverfahren begonnen werden, heißt es.

Als gesetzt gilt bei der Stadtverwaltung ein Neubau der Freien Aktiven Schule für 120 Schüler in Einheit mit einer zweigruppigen Kindertagesstätte am Schwarzäckerweg. Allerdings sind Lage, Größe und Rechtsverhältnisse eines auf 3.500 Quadratmeter geschätzten Baugrundstücks noch nicht geklärt.

TSV-Halle soll abgerissen werden

Insgesamt sehen die Stadtplaner in Heumaden-Süd langfristig 22 neue Kita-Gruppen an vier bis sechs Standorten. Plus sechs Gruppen in einer Kita auf der „Bernsteinwiese”. Für das andere Ende der Alterspyramide erkennt man bei der Stadt Bedarf für 45 Pflegewohnplätze. Außerdem wird für das Quartier mit sechs betreuten Wohnungen für Menschen mit Behinderung gerechnet.

Überraschend beinhaltet das städtische Entwicklungskonzept einen Abriss der Vereinsgebäude des TSV Heumaden im Hasenwedel. Als Ersatz regt die Stadt einen Neubau mit Nebenräumen und Vereinsgeschäftsstelle, eine Frischlufthalle, eine Sport-Kita und Gastronomie an.

Quartiersgarage und Verkehrsberuhigung der Kemnater Straße

Das neu zu schaffende „Miteinander-Quartier” (Schwarzäcker) soll über mehrere Straßen erschlossen werden. Von der Kirchheimer Straße aus über eine Stichstraße, über die auch eine „Quartiersgarage” noch nicht definierter Größe zu erreichen sein soll. Außerdem von der Kemnater Straße sowie vom – verkehrsberuhigten – Graphitweg aus. Das Schwellenäcker-Quartier soll über die Klara-Neuburger-Straße angeschlossen werden.

Eine immer wieder mal diskutierte Unterbrechung der Kemnater Straße ist wohl vom Tisch. Die Anbindung von und nach Kemnat soll erhalten werden. Über eine zumindest teilweise Verkehrsberuhigung wird nachgedacht. Die erst kürzlich eingerichtete Buslinie 131 findet in dem Entwicklungskonzept keine Erwähnung. Den Schwarzäckerweg will man nicht ausbauen. Der Paul-Grüninger-Weg soll weiterhin Fußgängern und Radfahrern vorbehalten bleiben.

Neue Filderauffahrt und abgehängte Bockelstraße 

Weitere Komponenten der städtischen Gesamtidee sind ein „Urbanes Quartier Bockelstraße”, zu dessen Gunsten der Anschluss der Filderauffahrt an die Kirchheimer Straße verlegt werden soll. Dafür würde die Stadt Grünflächen hinter dem kleinen Wohngebiet bei der ehemaligen Avia-Tankstelle opfern. Zudem soll der obere Teil der Bockelstraße stillgelegt werden, um bei der dortigen Stadtbahnhaltestelle ein „Urbanes Quartier” mit „Mobility Hub” zu errichten.

Energieversorgung im Zusammenhang mit Erweiterung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums

Das jetzt vorgelegte Energiekonzept basiert auf einem Nahwärmenetz um das Geschwister-Scholl-Gymnasium. Angedacht sind Erdsondenfelder im Bereich der Sportplätze sowie Agrothermie auf den Feldern östlich davon. Kritisch beurteilt wird seitens der Stadt eine Quartiersheizzentrale. Hier sind noch viele Fragen offen.

Bezirksbeirat übt Kritik am Vorschlag der Stadt und verlangt Nachbesserungen

Bereits nach den ersten beiden Diskussionsbeiträgen im Bezirksbeirat war klar: So findet das städtische Konzept im Stadtbezirk Sillenbuch keine Zustimmung. Aber: Der Bezirksbeirat hat darüber gar nicht zu entscheiden. Das tut ausschließlich der Stuttgarter Gemeinderat. Dessen Ausschuss für Stadtentwicklung und Technik (STA) hat die Beschlussfassung am 27. Februar 2024 auf der Tagesordnung. Es sei denn, das Thema wird kurzfristig noch vertagt.

Bezirksbeirat Dieter Grötzinger (Bündnis 90/Die Grünen) signalisierte gleich zu Beginn der Debatte am 21. Februar, dass seine Fraktion dem Konzept nicht zustimmen kann. Er bezeichnete es als „riesigen Wust” ohne „klare Linie”. Die Demeter-Äcker dürften nicht angetastet werden, forderte der Grünen-Sprecher. Und so viel Wohnbau wie vorgeschlagen habe sich im Bezirk niemand gewünscht. Ein Großteil der „Bernsteinwiese” sei zu erhalten, so Grötzinger weiter. Und das Gewerbeareal solle an den Schwarzäckern bleiben.

Philipp Kordowich (CDU) würdigte das städtische Konzept zwar als „guten ersten Aufschlag”, sieht aber noch erheblichen „Nacharbeitsbedarf”. Er fühle sich an Pippi Langstrumpf erinnert, meinte Kordowich. Doch nach dem Motto „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt” dürfe die Stadt nicht planen. Sein Rat an die Stadtplaner: „Nehmen Sie das Papier mit und arbeiten Sie es in den nächsten zwei Jahren nach!” Zudem forderte der Unionssprecher eine Bürgerinformation in größerem Rahmen. Die durchgeführte Bürgerbeteiligung sei eine „geschlossene Gesellschaft” gewesen.

Auch Ulrich Storz (SPD) empfahl den Stadtplanern, die nächsten ein bis zwei Jahre für eine „vertiefte Planung” zu nutzen und dann noch einmal in den Bezirksbeirat zu kommen. Die Zusammenarbeit der an der bisherigen Planung beteiligten Ämter der Stadt erscheine ihm „rudimentär bis schlecht”. Von den Plänen auf dem Gelände des TSV Heumaden zeigte sich Storz „überrascht”. Dass die Standortverlegung der Freien Aktiven Schule wirklich so sicher sei wie von der Stadt behauptet, stellte er in Frage. Und das Energiekonzept sei rückwärtsgerichtet, daran müsse man „noch feilen”.

Gerrit Heidelberg (Die FrAKTION) brachte die Interessen der Flüchtlinge ins Spiel. Andreas Lehrfeld (FDP) und Walter Haag (Freie Wähler) erinnerten an die Standortinteressen der im Quartier angesiedelten Handwerker.

Bezirksbeirat signalisiert: So nicht!

Der Sillenbucher Bezirksbeirat sollte, so der Wunsch der Stadt Stuttgart, das vorgelegte Entwicklungskonzept für Heumaden-Süd sowie den Bericht über die durchgeführte Bürgerbeteiligung und Planung „zustimmend zu Kenntnis nehmen” und der Stadtverwaltung für weitere Planungen einen Auftrag erteilen. Das wäre zwar kein Beschluss, aber ein Signal an Stadtverwaltung und Gemeinderat. Dazu war der Bezirksbeirat nicht bereit.

Nach längerer Diskussion einigte man sich auf die Schlussformel: „Der Bezirksbeirat diskutiert kontrovers die vorliegende Beschlussvorlage. Für eine zustimmende Kenntnisnahme enthält die Beschlussvorlage ungeklärte Zielkonflikte, aufgrund derer der Bezirksbeirat die Beschlussvorlage derzeit nicht zustimmend zur Kenntnis nehmen kann.”


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